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Der Fütterungsberater

Ein Blog zu Futtermittelanalytik, Tiergesundheit, Fütterung und Diätetik.

Blogbeitrag
LKVFütterungsberater
Futtermittel & Laboranalytik

Grünfutter in der Milchviehfütterung

Grünfutter sind eine Futtermittelgruppe, zu der sehr verschiedene Pflanzenarten gehören (Gräser, Leguminosen, wie Luzerne und Klee, Kruziferen, Grünmais u.a.), die entweder als Artengemeinschaften auf dem Grünland genutzt oder im Ackerfutterbau als Haupt-, Zwischen- oder Zweitfrucht angebaut werden.

Ihr Futterwert ist abhängig vom Standort, vom Vegetationsstadium und von der Nutzungsart (Weide- oder Schnittnutzung).

Der Zusammenhang zwischen energetischem Futterwert und Vegetationsstadium soll in Abb. 1 am Beispiel eines Grasbestandes gezeigt werden.

Abb. 1: Energiekonzentration und -ertrag im Ablauf der Vegetation eines Grasbestandes (Steinhöfel und Hoffmann, 2020)

Bei der Nutzung von Grünfutter (außer Mais) ist die effektivste Nutzung immer ein Kompromiss zwischen Energie-/Nährstoffkonzentration im Futter und dem Ertrag.

Die wichtigsten Futterwertkennzahlen für Grünfutter in Abhängigkeit vom Vegetationsstadium zeigt die Tabelle 1 am Beispiel von Weidelgras. Die wichtigste Nährstoffgruppe sind die Faserstoffe, deren Gehalt weitgehend den Futterwert bestimmt. Die ertragsbildende Komponente ist die Zellulose. Ihre ß-glukosidisch verbundenen Glukosemoleküle können nur durch bakterielle Enzyme gelöst und so zur Fermentation im Pansen verfügbar gemacht werden.

Tab. 1: Futterwertkennzahlen von Weidelgras

KennzahlEinheitGrünfutterSilageHeu¹  Trockengrünfutter²
Trockensubstanz%20338688
NELMJ/kg TS> 6,26,25,8> 6,2

Zucker, Fruktane (wasserl. Kohlenhydrate)

g/kg TS100< 50< 5075
Rohfaser³g/kg TS245260278250
Rohzelluloseg/kg TS266274306274
Pentosane/Hemizelluloseng/kg TS130124132133
NDFomg/kg TS420460410405
ADFomg/kg TS265270308270
Lignin (ADL)g/kg TS22253146
Rohproteing/kg TS170150140160
nutzbares RPg/kg TS160135130150
UDP% RP20-3515-2030-35> 45
Proteinlöslichkeit% RP45-50> 554540-45
NH3-N des Gesamt-N% ges. N < 8  
pepsinunlösliches Rohprotein% RP < 25,0 < 20,0

¹Bodentrocknung/Kaltbelüftung, ²Warmluft unter Dach, Entfeuchter oder Heißluft (Trommeltrockner), ³optimaler Schnittzeipunkt, 24-25 % Rohfaser, Schnitthöhe > 8 cm

Quellen: Nehring, K. (1972); DLG-Futterwerttabellen (1997); NRC (2001); Datenbank LKS (2019)

 

In der Tabelle 2 sind ausgewählte Futterwertkennzahlen für andere wichtige Grünfutter gezeigt.

Tab. 2: Futterwert ausgewählter Grünfutter *

 EinheitGrünroggenGrasKleegrasLuzerne
Trockensubstanz%22202020
NELMJ/kg TS6,46,26,25,8
Rohfaserg/kg TS235245250245
NDFg/kg TS465420390340
ADFg/kg TS300265260265
Rohproteing/kg TS170170170210
nutzbares RPg/kg TS155160140150
UDP % RP20-2515-2535-4025-30
Proteinlöslichkeit% RP30-3545-5030-3535-40

* optimale Schnittzeitspanne

 

Zur Wahl der optimalen Schnittzeitspanne ist der Rohfasergehalt (oder der Gehalt an ADF) ein wichtiger Indikator. Die tägliche Zunahme an Rohfaser fasst die Tabelle 3 zusammen.

Tab. 3: Erhöhung des Rohfasergehaltes in Abhängigkeit vom Vegetationsstadium (g Rohfaser je kg Trockensubstanz)

 FutterroggenGrasKleeLuzerne

mittlere Rohfaserbildung

je Tag (in g)

8,0

4,5

 4,0*

3,0

 2,5*

4,0

 4,0*

 * kühles Wetter, wenig Sonne usw.

 

Eine wichtige Funktion der Faserfraktion des Grünfutters ist, wie bei allen Grobfuttermitteln, die Strukturwirksamkeit. Die Bewertung der Strukturwirksamkeit von Grünfuttermitteln zeigt die Tabelle 4. Die Anforderungen der Milchkuh an die tägliche Aufnahme werden mit 400 g strukturwirksame Rohfaser bzw. 430 g strukturwirksame ADFom je 100 kg Körpermasse je Tag angegeben.

Tab. 4: Futtermittelstruktur von Grünfutter

Strukturwirksame Rohfaser und strukturwirksame Saure Detergenzienfaser (ADF)
~ analytisch bestimmte Rohfaser/ ADF*f (Strukturfaktor)
  Rohfaser %Strukturfaktor f
Grünfutter

 
lang> 261
< 240,75
gehäckselt> 260,75
< 240,5

 

Charakteristisch für alle Grünfuttermittel ist der Gehalt an löslichen Kohlenhydraten. Insbesondere bei Gräsern kann der Gehalt an wasserlöslichen Kohlenhydraten (die Mono- und Disaccharide, also der Zucker und die Fruktane) zwischen 50 und 300 g je kg Trockensubstanz liegen. Die wasserlöslichen Kohlenhydraten (wlK) nehmen mit fortschreitender Vegetation ab.

In einer Ration für eine Milchkuh sollte aus gesundheitlichen Gründen (Fermentationsstörungen, z.B. Azidose, Klauenprobleme, Eutergesundheit) der Gehalt an wasserlöslichen Kohlenhydraten 70 – 80 g je kg TS nicht überschreiten.

Bei trockenem, aber sonnigem Wetter im Frühjahr bzw. bei Nutzung von „Hochzucker-Weidelgräsern“ kann es leicht möglich sein, dass die tägliche Grünfuttermenge aufgrund des hohen Gehaltes an wasserlöslichen Kohlenhydraten begrenzt werden muss.

Der Rohproteingehalt des Grünfutters ist in erster Linie vom Vegetationsstadium und von der Stickstoffdüngung abhängig (siehe Tabelle 5).

Tab. 5: Einfluss von Stickstoffdosis und Nitrifikationshemmer auf Rohprotein-, Reinprotein- und Nitratgehalt von einjährigem Weidelgras (mod. Hoffmann, Regina, W. Werner und F.A. Obambet)

N/haRohproteinReinprotein% vom RohproteinNitrat
kgg/kg TSg/kg TSReinproteinNPNg/kg TS
0835060,239,80,1
0*884854,445,50,1
1001227057,442,60,4
100*1258265,534,40,4
2001779553,646,41,7
200*1619257,142,90,9
30023611649,250,83,4
300*21411352,847,21,7

* mit Nitrifikationsinhibitor, N-Düngung in Form von Harnstoff, Nitrifikationsinhibitor CMP, 4 kg / ha, N-Ausbringung ungeteilt im Herbst, 61. Vegetationstag (1.Schnitt), keine extremen Witterungsbedingungen

 

Besonders in jungem Grünfutter kann der Reineiweißgehalt auf Werte unter 50 % sinken und der Anteil an Nicht-Protein-Stickstoffverbindungen (NPN) kann erheblich sein. Das muss bei der Rationsgestaltung berücksichtigt werden.

Der Gehalt an Durchflussprotein, d.h. an UDP liegt im Grünfutter zwischen 20 und 35 %, d.h., deutlich höher als in den daraus hergestellten Silagen und er nimmt mit fortschreitender Vegetation zu und ist in Leguminosen höher als in Gräsern.

Grünfutter kann das einzige Grobfuttermittel für Milchkühe bilden. Andererseits kann auch die Notwendigkeit bestehen, den Grünfuttereinsatz zu beschränken, um nachteilige Einflüsse auf Leistung und Gesundheit auszuschließen.

Um insbesondere Nährstoffschwankungen durch die wechselnden Vegetationsstadien und Futtermittelarten zu vermindern, hat sich eine kombinierte Grünfutter-Maissilage – Fütterung bewährt. Dem Grünfutter werden 10–15 kg Maissilage zugefüttert (Tabelle 6).

 Tab. 6: Standortspezifische Rationsgrundtypen für Milchkühe je Tier (650 kg Körpermasse)

 Silage/GrünfutterVerlustfaktor¹Ausgangsmaterial
 TS%kg/Tagdt/Jahr TS%dt/Jahrha²
1. Ganzjährige Stallhaltung (365 Tage) - Maissilage als Hauptkomponente
Maissilage3226951,15321090,27
Grassilage3512441,20181070,27
2. Ganzjährige Stallhaltung (365 Tage) - Grassilage als Hauptkomponente
Grassilage3524881,25182140,53
Maissilage3212441,1532510,13
3. Grünfutter (Weide) - Fütterung (155 Tage)
Grünfutter2050781,1520900,23
Maissilage3210371,1532430,11
Winterration (210 Tage) siehe 1. oder 2.

 ¹ Feldverluste + Gärverluste + Verluste bei Entnahme bis zum Futtertisch, ² bei 400 dt/ha

 

Grünfütterung im Stall

(Zur Fütterung auf der Weide siehe „Zur Weidehaltung der Milchkühe“ LKV-Fütterungsberater KW 20)

Der Vorteil einer Grünfütterung im Stall gegenüber der Weidehaltung ergibt sich aus der besseren Möglichkeit zur exakten Rationsgestaltung und –kontrolle, sowie in der Vermeidung der Weideverluste.

Zu vermeiden sind lange Feld- oder Zwischenliegezeiten des geschnittenen Grünfutters (Gefahr der Nitritanreicherung bei Erwärmung). Regennasses Grünfutter wird schlechter gefressen.

Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, mittels bekannter Schnellmethoden den TS-Gehalt des Grünfutters zu erfassen, um die Menge an Frischfutter der vorgesehenen TS-Menge anzupassen.

Anzustreben sind mindestens 12 kg Trockensubstanz je Tier und Tag.

Als Ursachen für eine Restriktion des Grünfutters können in Betracht kommen:

• die Nährstoffzusammensetzung: z. B. unzureichende Strukturwirksamkeit oder ein hoher Gehalt an Rohprotein, wasserlöslichen Kohlenhydraten (Zucker+Fruktane), Kalium und Kalzium

• Verschmutzungen, z. B. bei schlechter Weidepflege (Maulwurfshaufen u.a.) und zu tiefem Schnitt (< 8 cm Schnitthöhe) (Ziel: Rohaschegehalt im Grünfutter <100 g/kg TS)

• Gehalt an unerwünschten Inhaltsstoffen und Schadstoffen (z. B. Nitrat, siehe Tab. 5)

• Besatz mit Giftpflanzen.

Während die mögliche Menge je Tier und Tag sich bei der überwiegenden Zahl der Futtermittelarten aus der Rationsberechnung ergibt, gelten für die Grünfutter der Kreuzblütler (Cruziferae und Brassicaceae), d. h., verschiedene Kohlarten sowie für Raps- und Rübsengrünfutter futtermittelspezifische Restriktionen. Von diesen Futtermittelarten sollen nicht mehr als 1,5 kg/100 kg Körpermasse gefüttert werden, das sind bei einer Milchkuh mit 650 kg am Tag <10 kg (0,25 kg Trockenmasse / 100 kg KM).

Bei der Planung des Grünfuttereinsatzes im Betrieb muss zuerst die betriebswirtschaftliche Entscheidung gefällt werden, ob das Grünfutter als Weidefutter oder als Schnittgrünfutter im Stall verabreicht werden soll. Danach müssen die Kosten und der Arbeitsaufwand kalkuliert und gegenübergestellt werden.

In den letzten 2-3 Jahrzehnten hat die ganzjährige Stallfütterung mit Silage vorwiegend aus ökonomischen und arbeitswirtschaftlichen Gründen erheblich zugenommen. Inzwischen werden auch die Grenzen und Risiken dieses Verfahrens deutlich und ein Vergleich des Grünfuttereinsatzes mit der Silagefütterung findet vorwiegend aus physiologischer Sicht (in Bezug auf Fruchtbarkeit, Nutzungsdauer u.a.) wieder zunehmend Interesse.

Die Möglichkeiten und Grenzen des Grünfuttereinsatzes können folgendermaßen zusammengefasst werden:

1. Vorteile gegenüber der ganzjährigen Silagefütterung

• Verluste an Energie und Nährstoffen betragen < 5 %, gegenüber > 20 % bei Silagefütterung

• höherer Gehalt an sekundären Pflanzeninhaltssstoffen (ß-Carotin, Vitamin E, Omega-3-Fettsäuren u.a.)

• höhere Grobfutteraufnahme

• keine negativen Wirkungen durch spezifische Fermentationsprodukte bzw. Produkte der Proteolyse (z.B. organische Säuren, NH3, biogene Amine u.a.)

2. Nachteile gegenüber der ganzjährigen Silagefütterung

• keine kontinuierliche Energie – und Nährstoffversorgung (Futtermittelart, Vegetationsstadium u.a.)

• Witterungsabhängigkeit

In der Perspektive sind in diese Überlegungen auch die Möglichkeiten der Trockengrobfutterproduktion einzubeziehen, die durch die Fortschritte bei den Trocknungsverfahren durch die Steuer- und Messtechnik und auch durch die Nutzung alternativer Energiequellen (z. B. bei der Biogasgewinnung) eine effektivere Nutzung zur Konservierung von hochwertigen Grobfuttermitteln möglich macht.

Stand: Mai 2021

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