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Der Fütterungsberater

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Schwein

Ödemkrankheit beim Ferkel

Die Ödemkrankheit (Syn. E. coli-Enterotoxämie oder PWD – Post Weaning Disease) ist die häufigste infektiöse Abgangsursache beim Ferkel um den Absetzzeitraum herum.

Sie wird auch als „Krankheit der Besten“ bezeichnet und macht so deutlich, dass meist die Ferkel mit den bisher höchsten Tageszunahmen betroffen sind. Dies macht die damit einhergehenden Verluste auch wirtschaftlich extrem bedeutend. 


Pathogenese und Klinik

Die Krankheit tritt meist in den ersten beiden Wochen nach dem Absetzen auf und befällt typischerweise mehrere Tiere einer Gruppe. Saugferkel bis zum 20. Lebenstag erkranken nicht, da deren Darmwand den Krankheitserregern noch keine Anheftungsmöglichkeit bietet. Auslöser des Symptomkomplexes ist das Shigatoxin-bildende-E. coli-Bakterium (STEC). Das Shigatoxin löst durch Zerstörung der Gefäßendothelzellen eine verstärkte Durchlässigkeit des Kapillargefäßsystems aus, wodurch es zu einem Durchtritt von Flüssigkeit in das umliegende Gewebe kommt. Die dadurch entstehenden Flüssigkeitseinlagerungen geben der Krankheit ihren Namen. Beim Ferkel fallen die Ödeme v.a. im Kopfbereich – die Tiere zeigen Schwellungen am Nasenrücken und deutlich angeschwollene Augenpartien. Durch Ödeme im Kehlkopfbereich kommt es zu einem schrillen, heiseren Schreien der betroffenen Tiere. Dieses Symptom wird manchmal fälschlicherweise als Husten interpretiert und erfolglos mit Antibiotika behandelt.

Die Ödeme bilden sich auch im Gehirn aus, wodurch es zu zentralnervösen Symptomen wie Orientierungslosigkeit, Apathie und Krampfgeschehen kommen kann. Typisch sind in diesem Zusammenhang auch Ruderbewegungen in Seitenlage.

Außerdem kommt es durch die Ausschüttung der Endotoxine zu Schäden an den Darmschleimhautzellen, was mit Durchfallgeschehen, einer reduzierten Nährstoffresorption und somit zur Abmagerung betroffener Tiere führt.

In der Regel versterben die Tiere 24 Stunden nach Auftreten der ersten Symptome. Die Morbidität liegt bei ~ 50%, die Letalität bei nahezu 100%.


Diagnosestellung

Meist reicht das klinische Bild der oben beschriebenen markanten Merkmale in Kombination mit einer ausführlichen Anamnese (Absetzer, Umsetzungsstress, kürzlich stattgefundener Futterwechsel, unbefriedigende Zusammensetzung des Futters) aus, um eine Diagnose zu stellen.

Sind bereits Ferkel verendet, kann ein pathologisch-anatomischer Befund die Diagnosestellung absichern. Eine bakteriologische Untersuchung von Kotproben erscheint meist wenig sinnvoll, da ein zeitlicher Abstand von 1 – 2 Tagen zwischen der bakteriellen Besiedlung des Dünndarms und klinischen Symptomen bzw. dem Tod der Tiere liegt.

 

Risikofaktoren und deren Minimierung
In einer Studie von 2011 – 2014 wurden in 40% aller beprobten Bestände in Deutschland Shigatoxin-Gen-tragende E. coli nachgewiesen. Die hohe Durchseuchungsrate und die Tatsache, dass geringe Mengen toxinbildender E. Coli beim Schwein nahezu immer vorkommen, zeigen, dass es nahezu unmöglich, das Vorkommen von STEC komplett zu unterdrücken. Werden erste Krankheitssymptome erkannt, ist es für eine antibiotische Behandlung schon zu spät, da die Zeitspanne zwischen der Toxinbildung und dem Auftreten erster klinischer Symptome 24 bis 48 Stunden beträgt. Ein Behandlungsversuch besteht daher lediglich im Einsatz entzündungshemmender und schmerzlindernder Medikamente. Jedoch bleiben Ferkel, die die Erkrankung überleben, bis zum Erreichen des Schlachtalters Kümmerer mit reduzierten Tageszunahmen. Auch dieser Punkt hebt die wirtschaftlichen Auswirkungen der Erkrankung hervor.

In einigen Studien wird der prophylaktische Einsatz von Antibiotika (Fluorchinolone, Gentamicin und Colistin) in Problembeständen empfohlen. Dies widerspricht jedoch einer guten veterinärmedizinischen Praxis und sollte daher, wenn irgendwie möglich, vermieden werden. Wenn doch diese Variante gewählt wird, sollte vor der Behandlung zwingend ein Resistogramm erstellt werden.

Den wichtigste Punkt in der Erregerbekämpfung stellt daher eine ausreichende Prophylaxe dar. Die folgenden Punkte sollten in diesem Zusammenhang zwingend berücksichtigt werden:

  • In verschiedenen Studien wurde die Muttertiervakzination auf ihre Wirksamkeit überprüft, um die Ferkel so passiv durch Aufnahme maternaler Antikörper vor der Krankheit zu schützen. Die vorliegenden Ergebnisse sind vielversprechend – so zeigten die Ferkel geimpfter Sauen noch einen Monat nach dem Absetzen ausreichende Antikörperspiegel und bei keinem Tier ließ sich nach experimenteller Infektion mit STEC ein Krankheitsausbruch verzeichnen. 
  • Um einen Eintrag erhöhter E. coli-Belastungen zu vermeiden, sollten alle Mischfutterkomponenten höchsten hygienischen Anforderungen genügen. Besonderes Augenmerk sollte hier auch auf weitere darmpathogene Bakterien wie Salmonellen und Clostridien gerichtet werden.
  • Ideal ist eine restriktive Fütterung der Ferkel in den ersten 10 Tagen nach dem Absetzen. Somit wird vermieden, dass der Nährstoffbedarf – v.a. in Bezug auf Protein – überschritten wird und unverdauliche Anteile im Dünndarm anfluten und dort als Nährsubstrat für die E. coli-Bakterien dienen. In diesem Zusammenhang ist auch die Restriktion des Rohproteinwertes im Absetzfutter auf 18% zu sehen.
  • Auch auf eine ausreichende Rohfaserversorgung ist unbedingt zu achten (mind. 6%, besser 7 – 8%). Zum einen gewährt diese eine erhöhte Darmmotilität, so dass häufiger Kot abgesetzt wird. Dies hat den Vorteil, dass die Verweildauer des Kots im Darm abnimmt und pathogenen Bakterien so weniger Zeit bleibt, sich zu vermehren und mit ihren Pathogenitätsfaktoren an den Zellen der Dünndarmschleimhaut anzuheften. Zum anderen bringen erhöhte Rohfasergehalte in Abhängigkeit von der Fasercharakteristik des Futtermittels erhöhte Mengen an präbiotischer Faser mit sich, welche als Nahrung für die erwünschte Darmflora dienen und somit einen Konkurrenzdruck auf die E. coli-Stämme ausüben.
  • Durchsäuerung: Pathogene E. coli-Stämme bevorzugen ein leicht alkalisches Milieu. Daher ist es sinnvoll, die Ingesta moderat anzusäuern. Dies erfolgt zum einen mittels einer Zulage von organischen Säuren (Ameisen-, Fumar- oder Zitronensäure) im Futter. Auch eine Ansäuerung des Wassers ist sinnvoll (z.B. 0,25% Ameisensäure). Zum anderen sollte die Pufferkapazität des Futters reduziert werden. Puffernde, als den pH-Wert anhebende Substanzen sind vor allem Mineralstoffverbindungen mit hohen Ca- oder Mg-Gehalten. Daher sollten Mineralfutter nicht in bedarfsüberschreitenden Konzentrationen angeboten werden. Als Maß für eine ausreichende pH-Wert-Absenkung kann die Säurebindungskapazität des Futters herangezogen werden. Sie gibt an, wieviel Milliäquivalente Salzsäure (meq/ kg Futter) aufgewendet werden müssen, um den erwünschten Magen-pH-Wert von 3 zu erreichen. Bei Ferkelfuttermitteln werden hier meist Werte von < 700 meq/ kg Futter angestrebt, bei bekannter E. Coli-Problematik im Bestand auch < 650 meq/ kg Futter.
  • In verschiedenen Studien wurde die Muttertiervakzination auf ihre Wirksamkeit überprüft, um die Ferkel so passiv durch Aufnahme maternaler Antikörper vor der Krankheit zu schützen. Die vorliegenden Ergebnisse sind vielversprechend – so zeigten die Ferkel geimpfter Sauen noch einen Monat nach dem Absetzen ausreichende Antikörperspiegel und bei keinem Tier ließ sich nach experimenteller Infektion mit STEC ein Krankheitsausbruch verzeichnen. Auch die Verabreichung einer stallspezifischen Vakzine an die Saugferkel zur aktiven Immunisierung ist möglich. Dem Impfregime entsprechend werden die Ferkel 1 – 2 mal beginnend ca. eine Woche vor dem geplanten Absetztermin immunisiert.

Warum wird die Erkrankung nun, wie schon eingangs beschrieben, als „Krankheit der Besten“ bezeichnet, trifft also vor allem die schwersten und am besten entwickelten Ferkel? Eine Erklärung dafür kann die Rangordnung innerhalb des Wurfes noch im Sauenabteil sein. Hier erkämpfen sich die dominanten Tiere die besten Plätze am Gesäuge und verdrängen ihre rangniederen Geschwister. So sind diese gezwungen, frühzeitig an bereitgestelltes Beifutter zu gehen, um so ihren Energiebedarf zu decken. Somit ist die Magen-Darm-Flora dieser zunächst schwächer erscheinenden Ferkel bereits an die Fütterung milchfremder Komponenten gewohnt und die Umstellung im Absetzer-Flatdeck ist nicht so gravierend.

Die ranghöheren Tiere, die bis zu diesem Zeitpunkt besser entwickelt sind und höhere Tageszunahmen zeigten, sind jedoch die Aufnahme milchfremder Komponenten bis zum Absetzen nicht gewohnt, so dass die Futterumstellung einen massiven Stressfaktor für deren Darmflora darstellt und so die Vermehrung von STEC und der Ausbruch der Krankheit gefördert wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass geeignete Prophylaxemaßnahmen immer den Vorrang vor oftmals erfolglosen Behandlungsversuchen haben sollten. Neben einem guten Hygiene- und Stallmanagement ist hier einer Optimierung der Fütterung abzustreben. Dabei sollten sowohl das Nährstoffprofil wie auch das Fütterungsmanagement Beachtung finden.

 

Die Fütterungsberater der LKS stehen Ihnen bei Problemen in Ihrem Schweinebestand gerne für eine Beratung zur Verfügung. 

 

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Stand: Juli 2020

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