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Der Fütterungsberater

Ein Blog zu Futtermittelanalytik, Tiergesundheit, Fütterung und Diätetik.

Blogbeitrag
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Futtermittel & Laboranalytik

Zuckerrüben in Rationen für Milchkühe

Rüben sind in Deutschland ein traditionelles Rinderfutter. In der dlz-primus Rind 07/2016 wurde ausführlich über Eigenschaften, Futterwert, Lagerung und Anwendung von Zuckerrüben, Futterrüben (Gehalts- und Massenrüben), sowie Kohlrüben berichtet.

Futterrüben und Kohlrüben sind vorwiegend aus arbeitswirtschaftlichen Gründen schon seit langer Zeit kaum noch von Bedeutung. Der Umfang der Anwendung von Zuckerrüben für die Fütterung war einerseits von der Situation auf dem Zucker-Weltmarkt abhängig, war aber auch durch die seit ca. drei Jahrzehnten die Milchkuhfütterung dominierende ganzjährige Silagefütterung kein unbedingt begehrtes Futtermittel. Schließlich erforderten die geringe Haltbarkeit und die Lagerung besondere Aufwendungen. Die Zuckerindustrie bekundet nur noch verhalten Interesse an der Zuckerrübe und schließt traditionsreiche Zuckerfabriken, das führt auch zu einem Rückgang des Zuckerrübenanbaus.

 

Die Zuckerrübe bringt, durch die jahrzehntelange Züchtung, Anbauerfahrung und Entwicklung moderner Technologien die höchsten Energieerträge je ha aller unserer bekannten Nutzpflanzen. Unter normalen Witterungsverhältnissen sind Masseerträge zwischen 700 – 1000 dt / ha möglich, das sind 100 – 200 dt Trockenmasse / ha, bei 7,5 – 8,0 MJ NEL / kg TS ergeben sich Energieerträge zwischen 75.000 bis 160.000 MJ NEL / ha (im Vergleich: Weizen mit 90 dt/ha bringt 75.000 – 80.000 MJ NEL / ha). Auf diese Chance sollte nicht verzichtet werden.

Es wurde der Wert der Zuckerrüben für die Biogaserzeugung erkannt. In relativ kurzer Zeit konnten ökonomisch effiziente Technologien von der Ernte bis zum Fermenter und Erkenntnisse zur gärbiologischen Einbeziehung der Rüben entwickelt werden. Parallel dazu gibt es Bemühungen, die Nutzung der Zuckerrübe für die Milchkuhfütterung zu erweitern. Ein Beispiel sind die Arbeiten der Kleinwanzlebener Saatzucht (KWS Saat AG), die mit neueren Zuckerrübensorten („feedbeet“) die Zuckerrübe wieder als Futtermittel etabliert.

In der Fütterung der Wiederkäuer ist die Zuckerrübe ein hervorragendes energiereiches Konzentrat. Die Trockensubstanz der Rübe besteht zu über 70 % aus Zucker (Saccharose) und zu 20 % aus dem sogenannten Rübenmark, in dem Gerüstsubstanzen, wie Zellulose, Hemizellulosen, Pektine und Glucane enthalten sind. Die gesamte organische Substanz ist mit etwa 95 % hochverdaulich. Damit hängt auch die fördernde Wirkung von Zuckerrüben auf die Milchleistung und die Milchinhaltsstoffe zusammen. Die ruminale Abbaurate des Zuckers ist recht schnell und beträgt 40 % je Stunde, d.h., bei Fütterung von 1,5 kg Zucker aus Zuckerrüben wäre dieser in 2 ½ h abgebaut. Dass Zucker aus Rüben langsam abgebaut wird, weil er „zellgebunden“ ist, ist eine falsche Annahme.

Die Einbeziehung von Zuckerrüben in die Ration von Milchkühen hat folgende Vorteile:

Ø  Erhöhung der Futteraufnahme

o   Durch die hohe Verdaulichkeit, auch der Gerüstsubstanzen, und der schnellen Verfügbarkeit von Energie durch den Zucker wird die Pansenfermentation intensiviert, die Passagegeschwindigkeit der Ration erhöht sich und die Trockenmasseaufnahme steigt. Der in der Praxis bekannte Ausspruch: „Die Kuh kann schon satt sein, 10 kg Rüben frisst sie trotzdem noch“ hat sich hundertfach bestätigt.

Ø  Erhöhung der bakteriellen Proteinsynthese

o   Durch die Bereitstellung der leicht verfügbaren Energie wird die Umsetzung des im Pansen gebildeten Ammoniaks zu bakteriellem Eiweiß gefördert und damit die Leber entlastet. Es sind optimale Bedingungen für den Einsatz von Futterharnstoff, z. B. in Maissilage betonten Rationen, aber auch in proteinreichen Grassilage betonten Rationen.

Ø  Erhöhung der Energiekonzentration der Ration

o   Der hohe Energiegehalt macht die Zuckerrübe zu einer wertvollen Ergänzung bei strohreichen Rationen, bei Vorhandensein von spät geernteten Grassilagen und bei sehr hohen Milchleistungen (Futteraufnahme und Energiekonzentration). Zuckerrüben können energieäquivalent Getreide in der Ration ersetzen, wenn es ökonomisch vorteilhaft ist.

 

Ein effektiver Einsatz von Zuckerrüben setzt immer voraus, dass über eine Rationsberechnung die Anforderungen an die Strukturwirksamkeit, sowie an die bedarfsgerechte Versorgung mit Energie, Proteinen, Mineralstoffen und Vitaminen gewährleistet ist. Alle für die Rationsberechnung notwendigen Kennzahlen zum Futterwert der Zuckerrübe sind in der Tabelle 1 zusammengestellt.     

 

Quellen: Nehring et al. Futterwerttabelle 1972; Nehring et al. DDR-Futterwertabelle 7. Aufl., 1989; DLG Futterwerttabellen Wiederkäuer 1997; Gruber, L. Übers. Tierernährung 1994, 22, 243-280; LfL-Information, 24. Auflage, Grub 2020; Datenbank LKS Lichtenwalde 2019

 

Bei der Verwendung von Zuckerrüben als Futtermittel und bei ihrem Einsatz in Milchviehrationen sind einige Besonderheiten zu beachten, die sich aus den spezifischen Eigenschaften der Rüben ergeben.

 

Ø  Verschmutzungsgrad und Besatz mit Steinen

Je nach den Boden- und Witterungsverhältnissen kann der Verschmutzungsgrad der geernteten Rüben sehr hoch sein. Um Gesundheitsschäden bei den Kühen zu verhindern, darf der Rohaschegehalt in der Gesamtration nicht über 100 g Rohasche bzw. nicht über 20 g Sand je kg Trockensubstanz betragen. Es geht dabei nicht nur um die Beeinträchtigung der Energiekonzentration, es kommt bei hohem Schmutzeintrag zu Störungen der Pansenfermentation und es werden vermehrt Hefen, Clostridien u. a. mit eingeschleppt, die Gesundheitsschäden verursachen bzw. bei Silierung als „Gärschädlinge“ wirken. Bei ungünstigen Bedingungen (nasse Witterung, schwere Böden) wurden durch den Erdanhang bis zu 250 g Rohasche bzw. bis 60 g Sand je kg TS gemessen. Für saubere Zuckerrüben werden Rohaschegehalte von 45 – 50 g/kg TS ausgewiesen.

 

Bei Lagerung der Rüben in Mieten u. ä. (siehe unten) ist es immer schwierig, den ausreichenden Säuberungsgrad bis zur Fütterung durch „Rütteln und Schütteln“ zu erreichen, obwohl es auch dazu vielfältige praktische Hinweise gibt. Die von KWS angebotenen feedbeet-Sorten haben flachere Wurzelrinnen, sind weniger „furchig“, also glatter und haben dadurch einen geringeren Erdanhang.

 

Die Erfahrungen der letzten Jahre und der Entwicklungsstand entsprechender technischer Lösungen lässt die Schlussfolgerung zu, dass mit der Entscheidung, Zuckerrüben in das Fütterungsregime für die Milchkühe aufzunehmen, grundsätzlich der Prozessgang „entsanden, waschen, entsteinen“ realisiert wird. Die Einordnung einer Reinigung ist den betrieblichen Bedingungen anzupassen. Es ist zu beachten, dass gewaschene Rüben möglichst nicht über längere Zeiten zwischengelagert werden, da sie leicht verderben. Die Möglichkeit zur Reinigung ist erschwert, wenn ganze Rüben gelagert und jeweils vor der Verfütterung zerkleinert werden. Das Prinzip „entsanden, waschen, entsteinen, zerkleinern“ in einem Arbeitsgang ist kein Problem, wenn die Rüben als Komponenten für die Mischsilierung eingesetzt werden. Hier gibt es mobile Einrichtungen bei Lohnunternehmern (es soll nur an die Firmen Cross, Putsch, Blunk u. a. erinnert werden). Die Ausführungen der Aggregate ist sehr verschieden, aber immer sind Sandsieb, Aufströmverfahren, auch Schwemmbecken zum Entsteinen, Waschtrommel und Zerkleinerungsgerät Bestandteil der Arbeitskette. Es gibt auch Rodeaggregate, die mit Waschtrommeln gekoppelt sind. Die Angaben zum Durchsatz liegen für die verschiedenen Systeme zwischen 25 – 120 t je Stunde. Die Forderung „Entsanden, Waschen, Entsteinen, Zerkleinern“ ist somit in vielfältiger Weise praktisch gelöst.

 

Ø  Aufbereitung

Unabhängig vom Lagerungs- oder Konservierverfahren wird es für zweckmäßig gehalten, die Rüben zu zerkleinern. Dafür stehen Aggregate zum Bröckeln oder zum Schnitzeln zur Verfügung. Durch das Zerkleinern verhindert man Schlundverstopfungen und das Selektieren in der Mischration. Auch bei der Herstellung von Mischsilagen ist Schnitzeln zweckmäßig. Die optimale Partikelgröße der Schnitzel beträgt 1 – 3 cm, für Mischsilagen sind Partikelgrößen >5 cm und auch gebröckelte Rüben zu groß. Schon sehr alte Erfahrungen zeigen, dass geschnitzelte oder gebröckelte Rübenschnitzel, im Gemisch mit Spreu oder kurz gehäckseltem Stroh sehr gut aufgenommen werden.

 

Ø  Haltbarkeit / Lagerung / Konservierung

Die Haltbarkeit der Zuckerrüben ist begrenzt und beträgt 4 – 6 Monate. Deshalb ist die Verfütterung „frischer“ Rüben auf die Monate Oktober bis Februar/März begrenzt. Für diesen Zweck sind Feldmieten geeignet. Die optimale Lagerungstemperatur beträgt 1–6° C. Die Mieten sollten mit Vlies abgedeckt werden, damit eine Durchlüftung gewährleistet ist und bei Frost eine Strohabdeckung erhalten. Gefrorene und wieder aufgetaute Zuckerrüben haben an Futterwert verloren und sind mit größter Vorsicht zu verfüttern. Die Silierung ganzer Rüben ist in verschiedenen Varianten versucht worden und ist z. B. in Siloschläuchen möglich, wird aber für Futterzwecke nicht für günstig gehalten. Rübenschnitzel in irgendeiner Form allein in Behältern oder Siloschläuchen zu silieren wird nicht empfohlen. Es kann zu Schaumgärungen kommen, man hat es mit großen Sickersaftmengen zu tun (siehe unten) und die Futterdarbietung ist schwierig. Auch die, für die Biogaserzeugung verwendete Lagerung von „Rübenbrei“ in Lagunen wird aus verschiedenen Gründen nicht empfohlen.

 

Als günstig hat sich die Herstellung von Mischsilagen erwiesen. Die geschnitzelten Rüben werden mit Grobfuttermittel gemeinsam siliert, das können Maissilage sein, aber auch Grassilage vom 3. Schnitt mit erhöhtem Trockensubstanzgehalt, kurzgehäckseltes (3-5 cm) Stroh/Heu, Spreu u. ä.  Auch die Mischung mit Trockenkonzentraten, z. B. 20 % Getreide oder 15 – 20 % Trockenschnitzel u.a. ist möglich. Die Anteile der Mischungspartner sind so abzustimmen, dass ein optimaler Trockensubstanzgehalt der Mischung von über 30 % hergestellt und der Anfall an Sickersaft minimiert wird.

 

Die Silierung erfolgt in Durchfahrtsilos oder in Folienschläuchen. Die manchmal noch anzutreffenden „Freigärhaufen“ kommen nicht in Frage, da mit diesen die gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf den Sickersaft in der Regel nicht eingehalten werden können. Wie jede Mischsilierung ist auch die mit Zuckerrüben eine Herausforderung an die Steuerung der Erntetermine und an die Logistik. Bewährt haben sich Mischrationen mit Maissilagen, bei denen die geschnitzelten Zuckerrüben in Schichten von max. 20 – 30 cm eingebracht werden. Der Anteil an Zuckerrübenschnitzeln in der Mischung sollte zwischen 10 – 30 % liegen. Optimal ist,

wenn der Silomais mit ca. 32 – 35 % Trockensubstanz und einer theoretischen Häcksellänge von 6-8 mm geerntet wird. Auch die Herstellung von Lieschkolbenschrot (LKS) hat sich bewährt, bei einem TS-Gehalt der LKS von 60 – 70 % kann der Rübenschnitzelanteil bis 70 % betragen.

 

Ø  Sickersaftanfall

Beim Umgang mit reinen Rübenschnitzeln fallen im Mittel 35 – 40 % Sickersaft an. Zerkleinerte Zuckerrüben zeigten in Modellversuchen nach vier Wochen Silierung ca. 160 Liter Sickersaft je t Frischmasse. Durch 5 % Weizenstroh, 10 % Heu oder 30 % Grassilage (auf TS-Basis) trat kein nennenswerter Sickersaftanfall auf (Steinhöfel u. a. 2020). Die gesetzlichen Maßregeln für den Umgang mit Sickersaft, besonders mit Silagesickersaft sind streng einzuhalten und erfordern große Aufwendungen. Der Verfütterung von Sickersaft wird kritisch gesehen, auf Grund der Zusammensetzung (Zucker) ist er schnell verdorben.

 

Ø  Zuckergehalt

Der hohe Zuckergehalt von über 690 g / kg TS erfordert beim Einsatz in der Ration besondere Beachtung. Der Bedarf an wasserlöslichen Kohlenhydraten (Zucker + Fruktane) liegt für eine Milchkuh mit 650 – 700 kg Lebendmasse zwischen 1400 und 1600 g / Tag, in Abhängigkeit von der Trockenmasseaufnahme liegt die Konzentration zwischen 60 bis 75 g wasserlösliche Kohlenhydrate. Die Aufnahme wasserlöslicher Kohlenhydrate muss logischerweise im Zusammenhäng mit dem Stärkeangebot gesehen werden. Die entsprechenden Kennzahlen sind in Tabelle 2 dargestellt. Auf dieser Basis ergeben sich auch die Zuckerrübenmengen, die in der Ration gefüttert werden können.

1)  nach VDLUFA Bd.3.7.1.3. als Saccharose berechnet, 2) (Glukose+Fruktose+Saccharose) = Zucker+Fruktane=wasserlösliche Kohlenhydrate (wlK), 3) für gesundheitlich instabile Herden (u.a. hohe Zellzahlen, Klauenprobleme) < 200 g Stärke und < 60 g wlK je kg TS der Ration, 4)  = beständige Stärke = Durchflussstärke = by pass starch, 5)  Milchkuh mit 650 kg Körpermasse,  >35 kg Milch(FCM), 23 kg Trockenmasse / Tag

 

Ein Überschreiten dieser Grenzwerte führt zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen (vgl. Tabelle 3).

Im Bestreben hohe Zuckerrübenmengen einzusetzen erscheinen ab und zu solche Meldungen wie „Die Befürchtung, dass ein hoher Zuckergehalt eine Pansenazidose auslöst, ist unbegründet“, und man bezieht sich auf 4,7 und 8,4 % Zucker in der Ration. Es ist leicht zu erkennen, dass solche Aussagen falsch völlig unsinnig sind.

Die Einsatzmengen für Zuckerrüben ergeben sich aus der Bewertung der Gesamtration bei Verwendung der anerkannten Bedarfsnormen und Grenzwerte.

 

Für Zuckerrübenschnitzel, die z.B. im Gemisch mit Maissilage einsiliert sind, ist typisch, wenn man die reinen Schnitzel untersuchen lässt, dass sie nur noch wenig oder keinen Zucker enthalten. Dafür ist in der Gesamtmischsilage der Milchsäuregehalt oft extrem hoch und die Bildung von Ethanol und Propandiol, sowie verschiedenen Estern sind erhöht. 

 

Für die Kontrolle der Fütterung wird deshalb empfohlen, die Mischration untersuchen zu lassen, dazu sollte die Probe aus dem Auswurf des fahrenden Mischwagens entnommen werden.

 

Die Einsatzmengen für Zuckerrüben die sich aus den Rationsberechnungen ergeben, liegen für eine Kuh (650 kg Körpermasse) im Allgemeinen um die 10 – 12 kg/Tier und Tag (siehe auch Hoffmann und Steinhöfel „Futtermittelspezifische Restriktionen“ dlz, 6. Auflage, 2018).

 

Fazit

Auf den entsprechenden Standorten ist die Zuckerrübe das energieliefernde Konzentrat mit den höchsten Masse- und Energieerträgen. In der Fütterung der Milchkühe zeichnet sich der Rübeneinsatz besonders durch eine Erhöhung der Futteraufnahme aus, er fördert die Proteinsynthese und erhöht die Energiekonzentration.

Grundsätzlich soll eine Aufbereitung nach dem Motto „entsanden, waschen, entsteinen, zerkleinern“ angestrebt werden.

Der Einhaltung der Bedarfs- und Grenzwerte für Stärke und wasserlösliche Kohlenhydrate ist bei der Rationsberechnung große Aufmerksamkeit zu schenken.

Eine bewährte Form der Anwendung ist die Mischsilierung mit Silomais, Gras aus dem 3. Schnitt, kurzgehäckseltem Stroh oder mit verschiedenen Trockenkonzentraten. 

 

Stand: Dezember 2020

 

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