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Der Fütterungsberater

Ein Blog zu Futtermittelanalytik, Tiergesundheit, Fütterung und Diätetik.

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Das dünndarmverdauliche Protein (sidP = small intestinal digestible Protein) – Teil I

Zukünftig soll nicht mehr mit dem „Nutzbaren Rohprotein“, sondern mit dem Dünndarmverdaulichen Protein bzw. mit dünndarmverdaulichen Aminosäuren gerechnet werden. Dies entspricht der Herangehensweise aller modernen Proteinbewertungssysteme. Auch bei der Proteinbewertung erfolgt die Formulierung entsprechend der Herangehensweise wie bei der Energie:

  • Strikte Trennung von Futtermittelbewertung und Bedarfsnormen
  • modulares System (Anschlussfähigkeit an neue wissenschaftliche Erkenntnisse)
  • dynamisches System

Das dünndarmverdauliche Protein setzt sich sachlogisch aus dem dünndarmverdaulichen mikrobiellen Protein und dem dünndarmverdaulichen UDP (Durchflussprotein) zusammen.

Das dünndarmverdauliche mikrobielle Protein
Auf Basis der Verdaulichkeit der organischen Masse und der Effizienz der mikrobiellen Proteinsynthese wird das mikrobielle Rohprotein bestimmt. Aus diesem wird dann das dünndarmverdauliche mikrobielle Protein (sidMP) abgeleitet.

Andere Systeme verwenden statt der Verdaulichkeit der organischen Masse, Parameter die sich auf das Abbauverhalten von Nährstoffen im Pansen beziehen (zum Beispiel die fermentierbare organische Substanz oder die fermentierbaren Kohlenhydrate als Summe aus abbaubarer Stärke und NDF). Dieser Ansatz erscheint auf den ersten Blick besser, da näher an dem eigentlichen Ort des Geschehens. Die Auswertung der aktuellen Literatur bestätigt diesen Ansatz jedoch nicht! Dies kann unter anderem auf die methodischen Schwierigkeiten zurückgeführt werden.

Die Effizienz der mikrobiellen Proteinsynthese hängt von der Futteraufnahme ab. Bis zu einer Futteraufnahme von 22 kg TM/Tier und Tag wird der Wert mit 150 g MCP/kg DOM als konstant angenommen. Mit steigender Futteraufnahme erhöht sich die mikrobielle Proteinsynthese um 7 g MCP/kg DOM je Kilogramm zusätzlich aufgenommener Trockenmasse. Als oberer Wert für die Effizienz der mikrobiellen Proteinsynthese wird ein Wert von 180 g MCP/kg DOM angenommen.

Die Verdaulichkeit der organischen Masse hängt vom Futtermittel/der Ration und vom Futteraufnahmeniveau ab. Damit ist das System dynamisch und berücksichtigt den Effekt der Passagerate. Die Berechnung der OMD, des Futteraufnahmeniveaus und der OMDFAN sind bereits im Artikel „Die Umsetzbare Energie - ME (GfE, 2023) – Teil II“ beschrieben (Stand 22.01.2024).

Das dünndarmverdauliche UDP

Das dünndarmverdauliche UDP berechnet sich aus dem UDP und aus der Verdaulichkeit des UDP.

Die Berechnung des UDP-Gehaltes basiert auf der Anwendung der Gleichungen der GfE (2022). Die Gleichungen erlauben es, bei Kenntnis der Parameter a, b, c und lag in Abhängigkeit von der Futteraufnahme und der daraus resultierenden Passagerate den ruminalen Abbau des Rohproteins (EDG) zu berechnen. Dabei bedeuten die Parameter folgendes:

a [%]                lösliche Fraktion
b [%]               potenziell abbaubare Fraktion
c [%/h]             Abbaurate
lag                   lag Time (Verzögerungszeit)
k [%/h]             ruminale Passagerate

Die Parameter a, b, c und lag können aktuell nicht routinemäßig analysiert werden. Hier muss auf Tabellenwerte zurückgegriffen werden. Die Passagerate (k) kann in Abhängigkeit vom Futtermittel und dem Futteraufnahmeniveau berechnet werden:

Passagerate (k) für Grobfuttermittel                           = (0,8857 * FAN + 1,7286) / 100
Passagerate (k) für Konzentratfuttermittel                 = (1,2429 * FAN + 2,2357) / 100
Passagerate (k) für Rationen, Saftfuttermittel            = (0,9643 * FAN + 1,9607) / 100

Das UDP kann dann als Differenz zu 100 berechnet werden:
UDP [% CP] = 100 – EDG [% CP]

Mithilfe eines mehrstufigen enzymatischen Testverfahrens ist es möglich sowohl das UDP als auch die Dünndarmverdaulichkeit zu bestimmen.

Das Futtermittellabor der LKS hat zu diesem Thema eine größere Untersuchung durchgeführt.

In der Tabelle 1 sind die ermittelten UDP-Gehalte und die Dünndarmverdaulichkeit des UDP (IPD) abgebildet. Die Werte wurden zusätzlich mit Literaturangaben bzw. tabellierten Werten verglichen. Wurden bei einem Futtermittel mehr als drei Proben analysiert, werden in der Tabelle die Standardabweichung mit angegeben (in Klammern). Die analysierten UDP Werte und Dünndarmverdaulichkeiten liegen auf dem Niveau der bisher tabellierten (DLG Futterwerttabelle, 1997) bzw. in der Literatur angegebenen Werte. Die Ergebnisse bestätigen aber noch einmal die große Streuung zwischen den Futtermitteln sowohl beim UDP als auch bei der Dünndarmverdaulichkeit.

Tab. 1: Gehalte an UDP und der Dünndarmverdaulichkeit des UDP (sidUDP)

Futtermittel

 

Anzahl

 

UDP (Lit.)

% CP

UDP

% CP

sidUDP (Lit.)

% UDP

sidUDP

% UDP

Ackerbohne31521,9 73,5
Ackerbohne (behandelt)4 36,5 (2,2) 82,5 (6,6)
RES23539,1297-82070,6
RES (behandelt)1760-8050,1 (9,6)544-78971,8 (7,1)
Rapsexpeller115-3038,0430-66369,4
Weizenschlempe34541,8563-67074,0
Palmkernexpeller25058,4 59,7
Gras-Trockengrün14556,9 67,4
Luzerne-Trockengrün14555,2597-61670,7
Stroh14578,5616-66258,8
Milchviehmischfutter1 47,6 77,4
Leinenexpeller13542,3 79,7
Sojaextraktionsschrot (HP)33027,2779-82291,8

UDP (Lit.): DLG Futterwerttabelle 1997, Shannak et al (2000), DLG 2011, sidUDP-Literaturangaben: Gargallo et al. (2006), Irshaid (2007), Can et al. (2011), Hippenstiel et al. (2015), ( ) Standardabweichung (bei mehr als 3 Proben angegeben), RES: Rapsextraktionsschrot, IPD: intestinal protein digestibility (Dünndarmverdaulichkeit des UDP)

 

Die Verdaulichkeit des UDP kann einigermaßen aufwendig analysiert werden. Dies ergibt bei proteinreichen Futtermitteln mit einem hohen Anteil an UDP Sinn. Für alle anderen Anwendungen kann vorerst auf tabellierte Werte zurückgegriffen werden (GfE 2023, S. 274ff). Zukünftig sollten aber einfache Analysenmethoden zur Bestimmung der Dünndarmverdaulichkeit des UDP entwickelt werden.

 

Im nächsten Artikel wird eine Beispielsrechnung für eine Ration vorgestellt.

 

Abkürzungen

CP                                         Rohprotein
DOM                                      verdauliche Organische Masse (digestible organic matter) [kg]
EDG                                       effektiver Abbau des Rohproteins in % (effektive degradation)
FA                                           Futteraufnahme [kg TM/Tier und Tag]
FAN                                        Futteraufnahmeniveau (50 g Futtertrockenmasse/kg0,75 Lebendmasse)
MCP                                       mikrobielles Rohprotein
OMD                                       Verdaulichkeit der organischen Masse [%]
OMDFAN                                Verdaulichkeit der organischen Masse [%] bei einem gegebenen Futteraufnahmeniveau
TM                                          Trockenmasse

 

Stand: Februar 2024

 

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