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Der Fütterungsberater

Ein Blog zu Futtermittelanalytik, Tiergesundheit, Fütterung und Diätetik.

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Der Mythos über Fleisch und Kohlenhydrate in der Hundefütterung

Vielfach wird für Hunde ein Futter mit hohem Fleischanteil empfohlen bzw. bevorzugt. Sei es in kommerziellen Alleinfuttermitteln wie auch in selbst zusammengestellten BARF-Rationen. Dabei wird der Vergleich mit dem Wolf herangezogen, welcher sich in der Natur überwiegend von ganzen Beutetieren ernährt. Dieses ernährungsphysiologische Vorbild möchte man auch für den eigenen Hund umsetzen, um ihn möglichst „naturnah“ zu ernähren.

Doch ist eine solche fleischbasierte Fütterung überhaupt sinnvoll, notwendig oder gar schädlich? Fleisch dient neben der Versorgung z.B. mit B-Vitaminen und Spurenelementen wie Eisen in erster Linie als Proteinlieferant. Der Proteinbedarf des Hundes wird mit 5g vRp/ kg KM0,75/ Tag angenommen (vRp: verdauliches Rohprotein). Dies entspricht einem täglichen Proteinbedarf von 28 g vRp für einen 10 kg schweren Hund und 64 g vRp für einen 30 kg schweren Hund. In Abhängigkeit vom Protein:Fett-Verhältnis der verschiedenen Fleischsorten ergeben sich dabei die folgenden Mengen für die tägliche Bedarfsdeckung:

 10 kg schwerer Hund30 kg schwerer Hund
Hühnerbrust130g300g
Hühnerfleisch, Keule145g320g
Rindfleisch, Keule150g340g
Schweinefleisch, Kamm200g460g
Kabeljau180g400g
Kaninchenfleisch145g320g

Hierbei ist zu beachten, dass es sich um ein reines Rechenbeispiel handelt und hierbei nur die Proteinbedarfsdeckung beachtet wird. Wird die Ration entsprechend um weitere Futtermittel ergänzt, welche ebenfalls einen gewissen Proteinbeitrag liefern, sinken die o.g. Werte weiter ab. Jedoch ist auch zu bemerken, dass es nur in diätetischen Fällen (z.B. Leber- oder Nierenpatienten) notwendig ist, diese angegebenen Bedarfsempfehlungen genau einzuhalten und nicht zu überschreiten. Ein adulter gesunder Hund mit normalem Aktivitätsniveau kann auch problemlos mit einer 20-25% Überschreitung dieser Aufnahmeempfehlungen gefüttert werden.

Wird Protein jedoch bedarfsüberschreitend gefüttert, hat dies keinen Mehrwert für den Organismus. Ungenutztes (= nicht benötigtes) Protein wird als Stickstoffmetabolit über die Nieren bzw. den Harn ausgeschieden. Dies kann als erhöhter Harnstoffgehalt bei einer Blutuntersuchung erkennbar sein. Zudem ist es Aufgabe des Proteins, eine ausreichende Versorgung mit essentiellen Aminosäuren sicherzustellen. Nicht jedoch, in erster Linie als Energielieferant zu dienen. Eine Energiebereitstellung sollte über die Zufütterung von Fetten und/ oder Kohlenhydraten erfolgen. Obwohl der Mythos „Rohes Fleisch macht Hunde aggressiv“ getrost ins Reich der Märchen verbannt werden kann, ist doch bei einigen Hunden festzustellen, dass diese auf eine stark bedarfsüberschreitende Proteinaufnahme mit Nervosität, Hyperaktivität oder eine erniedrigte Reizschwelle reagieren. Auch können bei deutlich zu hoher Proteinversorgung individuell Hautprobleme wie Juckreiz, entzündete Ohren, Knabbern an den Pfoten etc. beobachtet werden.

Nicht zuletzt stört eine hohe Proteinaufnahme, vor allem mit schlecht verdaulichen Proteinquellen wie bindegewebsreichen Schlachtabfällen und Innereien, das Darmmikrobiom. Werden bedarfsüberschreitende Proteinmengen aufgenommen, fluten diese im Dickdarm an. Dort führen sie zu einer Dysbiose (= Verschiebung des physiologischen Darmmikrobioms), da proteolytische Bakterien wie Clostridien bei einem ausreichenden „Nahrungsangebot“ verstärkt wachsen und so erwünschte Darmbakterien verdrängen. Die Folge können Blähungen, Bauchschmerzen und eine verschlechterte Kotkonsistenz bis hin zu Durchfall sein.

Entsprechend der bevorzugten Fütterung von Fleisch und tierischen Produkten wird eine Versorgung mit Kohlenhydraten zumeist abgelehnt und diese als „billige Füllstoffe“ in kommerziellen Produkten kritisiert. Da unsere Haushunde evolutionär bedingt jedoch sehr gut an die Verdauung von Stärke angepasst sind, gibt es keinen Grund, kohlenhydratfrei zu füttern. Auch die häufig gestellte Diagnose einer „Allergie gegen Getreide“ lässt sich so allgemein nicht aufrechterhalten. Eine Zöliakie, d.h. allergisch bedingte Reaktion auf Gluten, wie sie beim Menschen beschrieben wird, tritt beim Hund so gut wie nicht auf. Lediglich beim Irish Setter wird diese häufiger beschrieben und ist hier genetisch bedingt. Daher sollten Kohlenhydrate als gut verdauliche Energieträger gefüttert werden. Einige Hunderassen - wie südländische Windhunde und Herdenschutzhunde aus dem osteuropäischen Raum – sind sogar außergewöhnlich gut an die Fütterung großer Mengen Kohlenhydrate angepasst, da sie in ihrer ursprünglichen Haltungsform zumeist mit Getreidebreien oder Teigwaren gefüttert werden/ wurden. Im Gegensatz dazu beobachtet man jedoch bei nordischen Hunderassen eine reduzierte Stärkeverdaulichkeit, weil hier ursprünglich oft größere Mengen tierischer Produkte gefüttert wurden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Fütterung immer an das individuelle Tier anzupassen ist. Eine bedarfsüberschreitende Fütterung von Fleisch und/oder der Verzicht auf Kohlenhydrate ist per se nicht zu begründen und sollte nur im diätetischen Einzelfall Anwendung finden.

 

Stand: Februar 2024

 

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