Kauartikel – Sinnvoll oder unnötig?
Die Verfütterung von Kauartikeln ist aus dem Alltag vieler Hundehalter nicht wegzudenken. Der Handel bietet dafür ein mannigfaltiges Angebot. Dieses reicht von getrockneten tierischen Produkten wie Ohren, Hautstreifen, getrockneten Innereien wie Lunge und Leber über industriell hergestellte Kaustangen bis hin zu Produkten, die zwar kau-, aber nicht fressbar sind wie Geweihstücke oder Kauhölzer. Doch ist eine Verfütterung dieser Produkte ratsam und unter welchen Voraussetzungen sollte besser darauf verzichtet werden?
Die meisten Hunde nehmen Futtersnacks, mit denen sie sich länger beschäftigen können, gerne an. Auch wenn der Hund von Natur aus ein Schlingfresser ist – sein Futter also weitestgehend ungekaut in größeren Brocken abschluckt -, haben die meisten Vierbeine doch Freude daran, sich über einen längeren Zeitraum ihr Futter zu erarbeiten. Gerne wird das im Alltagstraining z.B. dazu genutzt, den Hund das Alleinsein angenehmer zu gestalten oder im Deckentraining eine positive Assoziation zum Ruheplatz herzustellen.
Gerade bei getrockneten Kauartikeln von rein tierischen Produkten – also den beliebten Schweineohren, Ochsenziemer, Strossen und Co. – sollte jedoch der hohe Protein- und Fettgehalt dieser Erzeugnisse nicht unterschätzt werden. Die nachfolgende Tabelle beispielhaft den Protein- und Fettgehalt sowie daraus resultierenden Energiegehalt beliebter Kauartikel (OS – Originalsubstanz):
Tab. 1: Durchschnittliche Protein-, Fett sowie Energiegehalte ausgewählter Produkte
| Proteingehalt [g/ 100g OS] | Fettgehalt [g/ 100g OS] | Energiegehalt [MJ ME/ 100g OS] |
Rinderohr | 65 | 12 | 1,7 |
Pansen, getrocknet | 80 | 4 | 1,55 |
Strossen | 70 | 11 | 1,6 |
Lunge, getrocknet | 78 | 7 | 1,62 |
Rinderkopfhaut | 93 | 6 | 1,7 |
Schweineohr | 79 | 15 | 1,88 |
Schweinenase | 61 | 7 | 1,7 |
Hähnchenhälse | 50 | 27 | 2,0 |
Flunder, getrocknet | 52 | 12 | 1,45 |
Vergleich man die sich ergebenden Energiegehalte, wird ersichtlich, dass diese mindestens einem durchschnittlichen Trocken-Alleinfuttermittel entsprechen (meist ~ 1,5 MJ ME/ 100g) und meist sogar noch darüber liegen. Dieser Aspekt sollte v.a. bei Hunden, die wenig aktiv sind und/oder zu Übergewicht neigen, dringend beachtet werden. Hier sollte der verfütterte Kauartikel bei der täglichen Energiebilanz mit berücksichtigt werden und energetisch vom Alleinfutter abgezogen werden. Dies ist jedoch nicht täglich anzuwenden, da es hier bei einer dauerhaften Reduzierung des Alleinfuttermittels zu einer Unterversorgung mit Mineralstoffen und Vitaminen kommen kann.
Zudem muss bei solchen Kauartikel die Proteinqualität beachtet werden. Die meisten dieser Produkte bestehen aus einem hohen Anteil bindegewebsreichen Materials, welches durch eine schlechte Proteinqualität auffällt. Vor allem bei Hunden, die aus diätetischer Sicht auf eine Aufnahme hochwertiger Proteinquellen angewiesen sind (z.B. Leber- oder Nierenpatienten), sollten solche getrockneten tierischen Nebenprodukte daher idealerweise vom Speiseplan gestrichen werden.
Enthalten die Kauartikeln Knochenanteile, ist außerdem darauf zu achten, dass keine großen Brocken abgeschluckt werden. Auch Zahnpatienten, die eine z.B. altersbedingt schlechte Zahnsubstanz aufweisen, sollte solche knochenhaltige Kauartikel nicht erhalten. Zum einen können die harten Bestandteile die Zähne schädigen, zum anderen evtl. aufgrund des mangelnden Kauvermögens zu große Bestandteile abgeschluckt werden, was im schlimmsten Fall in einem Darmverschluss enden kann.
In Hinblick auf die Zahngesundheit muss auch vor den „nicht fressbaren“ Kauartikeln wie Geweihstücken oder Kauhölzern gewarnt werden. Bei exzessiv kauenden Hunden werden hier immer wieder Zahnfrakturen beobachtet. Da dies zumeist die hinteren Backenzähne (Prä- und Molare) betrifft, werden solche Fissuren oder Frakturen häufig erst spät entdeckt und versuchen über einen langen Zeitraum erhebliche Schmerzen. Für Welpenzähne sollten solche Produkte ohnehin tabu sein.
Kommerziell gefertigte Kaustangen bestehen meist aus einem höheren Anteil pflanzlicher Erzeugnisse und sind daher aus Sicht der täglichen Energiebedarfsdeckung bei angepasster Fütterung nicht ganz so streng zu sehen wie die o.g. tierischen Trockenkauartikel. Meist sind solche Kaustangen explizit für die Zahnpflege beworben. Für diesen Zweck enthalten sie spezielle pflanzliche Fasern, die einen abrasiven Effekt auf Zahnbelag haben sollen. Zudem können sog. (Natrium-) Tripolyphosphate enthalten sein. Diese sind in der Lage, freies Calcium im Speichel zu binden, wodurch die Verkalkung des Zahnbelags vermieden wird und somit der Entstehung von Zahnstein vorgebeugt wird. Es ist allerdings zu bemerken, dass dieser Effekt nur prophylaktischer Natur sein kann. Bereits bestehender Zahnstein kann nicht unter Schonung der restlichen Zahnsubstanz „weggefüttert“ werden und sollte immer tierärztlich entfernt werden.
Stand: Oktober 2024