Sommerzwischenfrüchte
Die Ernte ist in vollem Gang. Jetzt kommt es darauf an, in kürzester Zeit eine Stoppelbearbeitung vorzunehmen, die den Boden flach lockert, die Verdunstung von aufsteigendem Wasser verhindert und die Getreidestoppeln und u. a. Ernterückstände in den Boden einarbeitet. Während das in früheren Zeiten mit dem Schälpflug durch eine die Stoppeln umkehrende flache Pflugfurche erfolgte, geschieht es heute vorwiegend mit Grubber, Striegel, Scheibenegge und mit Kombinationen dieser Geräte.
Sinnvoll ist es, in diese bearbeitete Ackerfläche Sommerzwischenfrüchte mit Mulch- oder Direktsaat als „Stoppelsaaten“ einzusäen, die noch im Ansaatjahr als Futter genutzt werden können oder als „Gründüngung“ dienen.
Die Verwendung von Zwischenfrüchten als Gründüngung zur Vermehrung des Humusgehaltes der Böden oder als Futter für Rinder hat in Deutschland eine sehr lange Tradition. In den letzten Jahrzehnten ist ihre Nutzung bis auf wenige Ausnahmen zurückgegangen, was auch zu Einbußen bei der Humuserhaltung bzw. zur Einschränkung der Artenvielfalt im Grobfutterangebot geführt hat.
Nicht nur die Klimaveränderungen, auch die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und Verbesserung der Bodenstruktur, die Verminderung von Erosionserscheinungen, ein besserer Wasserhaushalt, die Stickstoffsammlung durch Ackerbohnen, Erbsen u.a. Leguminosen, die Unterdrückung von Unkraut sowie verschiedene pflanzenbauliche Aspekte sind wichtige Gründe, dem Zwischenfruchtanbau große Aufmerksamkeit beizumessen. Untersuchungen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (2011) konnten zeigen, dass der Mehrertrag an Sommergerste nach Gründüngung (Aufwuchs und Wurzelmasse) nach verschiedenen Sommerzwischenfrüchten um 5,9 dt/ha (Ölrettich) bzw. 7,4 dt/ha (Erbsen, Lupinen) höher lag. In zunehmendem Maß wird den Sommerzwischenfrüchten, die je nach Pflanzenart ihre Blühzeit von Ende August bis weit in den Oktober hinein haben, auch als Bienenweide große Bedeutung beigemessen.
Für die Rinderfütterung kann der Zwischenfruchtanbau im Zusammenhang mit den Klimaveränderungen folgende Vorteile bringen:
- durch die größere Vielfalt an angebauten Futterpflanzen mit ihren unterschiedlichen Ansprüchen an Aussaatzeiten, Wasserbedarf und Erntezeitpunkte, sowie ihrer Frostverträglichkeit können die Schwankungen beim Anfall von Grobfutter vermindert bzw. Ertragsausfälle bei den Hauptfutterarten ausgeglichen werden
- die Zwischenfrüchte führen als „Zweitfrüchte“ zu einer höheren Effektivität der Flächennutzung (ökonomisch muss dabei aber immer bedacht werden, dass Zwischenfruchtanbau auch Geld kostet).
Mit den folgenden Ausführungen soll ein Überblick gegeben werden, was an Sommerzwischenfrüchten bekannt ist und welchen Futterwert sie haben. Es muss betont werden, dass teilweise sehr alte Erfahrungen vorliegen, die auch in Vergessenheit geraten waren. Andererseits sind eine Vielzahl neuer Futterpflanzen bekannt, für die wenige bzw. nur regionale Erfahrungen vorliegen. Einige dieser Zwischenfrüchte sind besonders als „Energiepflanzen“ für die Biogasanlagen von Interesse.
Den Landwirten und Beratern wird dringend empfohlen, vor der Nutzung vorliegende Hinweise zu Standortansprüchen, Anbaubedingungen, Sortenfragen und agrotechnischen Maßnahmen zu beachten (ausgezeichnete Zusammenfassungen liegen z. B, von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (Dr. Clara Berendonk u.a.) vor.
Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über wichtige Sommerzwischenfrüchte. In der Tabelle werden Richtwerte für den Trockenmasseertrag und Trockensubstanzgehalt, für den Gehalt an Nettoenergie - Laktation, Rohprotein, Rohfaser, NDF und ADF, sowie für futtermittelspezifische Restriktionen und für die Frostverträglichkeit angegeben.
Es wurden Zwischenfrüchte ausgewählt, zu denen gesicherte Angaben zugänglich sind. Für weitere, zu denen noch wenig Erfahrungen vorliegen, z.B. Teffgras, Zwerghirse, verschiedene Senf- und Kohlarten, ostindischer Hanf u.v.m. sei auf die entsprechenden Literatur- und Erfahrungsberichte verwiesen.
Tab. 1: Sommerzwischenfrüchte
Futterart | Trockenmasse | im kg Trockensubstanz | Restriktion | Frostverträg- lichkeit | |||||
NEL | Rohprotein | Rohfaser | NDF | ADF | <...Kg/Tag (650kg Kuh) | ||||
dt/ha | g/kg | MJ | g | g | g | g | °C | ||
Ackerbohnen | 35-45 | 180 | 5,5 | 175 | 290 | 580 | 340 | 10 | ±0 |
Alexandrinerklee | 15-35 | 185 | 5,8 | 185 | 240 | 485 | 270 | 10 | -2 |
einj. Weidelgras | 30-40 | 170 | 6,3 | 165 | 235 | 490 | 240 | o.B. | -5 |
Esparsette | 20-30 | 230 | 5,9 | 170 | 265 | 510 | 285 | 15 | -3 |
Futtererbsen | 30-40 | 140 | 5,6 | 180 | 240 | 490 | 265 | 15 | -4 |
Lupinen | 35-45 | 130 | 6,1 | 205 | 225 | 485 | 260 | 15 | -6 |
Markstammkohl | 35-80 | 140 | 6,5 | 160 | 170 | 435 | 195 | 10 | -12 |
Ölrettich | 35-50 | 130 | 5,5 | 185 | 235 | 485 | 260 | 10 | -3 |
Perserklee | 15-30 | 170 | 5,8 | 205 | 190 | 460 | 220 | 10 | -1 |
Phazelia | 25-50 | 190 | 5,6 | 160 | 265 | schlecht gefressen | -6 | ||
Ramtillkraut | 25-35 | 6,6 | 10 | ±0 | |||||
Rauhafer | 30-40 | 220 | 5,4 | 130 | 230 | 475 | 255 | o.B. | -2 |
Saatwicken | 30-40 | 140 | 6,0 | 255 | 225 | 490 | 255 | 15 | 4 |
Serradella | 25-35 | 140 | 5,3 | 210 | 210 | 15 | -6 | ||
Senf | 25-40 | 140 | 6,1 | 215 | 210 | 430 | 250 | 10 | -3 |
S.raps.-rübsen | 35-45 | 125 | 6,5 | 175 | 135 | 320 | 185 | 10 | -5 |
Sonnenblumen | 40-70 | 180 | 5,5 | 135 | 220 | 450 | 260 | 15 | ±0 |
Stoppelrüben * | 50-60 | 100 | 7,5 | 135 | 15 | 15 | -2 |
* ohne Blätter, fehlende Werte: aus der angegebenen Literatur keine verfügbaren Angaben
Quellen: Bayrische Landesanstalt für Landwirftschaft: Gruber Tabelle zur Fütterung, 47. Aufl., 2021; Berendonk,Clara Zwischenfruchtanbau zur Futternutzung und Biogasgewinnung, Landw.kammer Niedersachen,2011; CVB: Tabellenboek Veevoeding, 2010; DLG Futterwerttabellen - Wiederkäuer,DLG Verlag, 1997; Durst, Freitag, Bellof, Futtermittel für landwirtschaftlicche Nutztiere , DLG-Verlag,2021; Hoffmann, Steinhöfel, Rations- und futtermittelspezifische Restriktionen, 7. Aufl., Agrarmedia Erling-Verlag, 2023; LKS Lichtenwalde; Futtermittellabor Datenspeicher 2021; Nehring K. u.a.: Futtermitteltabellenwerk, Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin, 1972, 2. Auflage.
Die Zwischenfrüchte gehören zu den verschiedensten Pflanzenspezies (Gräser, Leguminosen, Kreuzblütler, Korbblütler u.a.). Mit Ausnahme der zu den Kreuzblütlern zählenden Rüben, die später beschrieben werden, können für die übrigen Sommerzwischenfrüchte gemeinsame Richtlinien für die Nutzung abgeleitet werden:
- Für die Verwendung der Sommerzwischenfrüchte spielen die Reinsaaten eine große Rolle, weil sie gut dem Standort und dem Nutzungszweck anzupassen sind. Inzwischen gibt es umfangreiche Erkenntnisse und Erfahrungen, die zu standortspezifischen Mischungen geführt haben, die von den Firmen angeboten werden. Mit solchen Mischungen kann man Unterschiede im Wurzelwerk und in der Blattmasse günstig kompensieren (Diversitätseffekte) und zusätzliche Effekte erzielen.
- Die Nutzung in Rationen für Rinder ist als Frischfutter, als Silage, als Heu oder Trockengrünfutter, sowie zur Beweidung möglich. Jeder Betrieb muss die Eigenschaften und Bedingungen für die zu wählenden Zwischenfrüchte kennen, bevor er sich entscheidet. Die Nutzung ist stark von Standortbedingungen und von der Wirtschaftsform und Größe des Tierbestandes abhängig.
- Im Allgemeinen haben Zwischenfrüchte einen relativ niedrigen Trockensubstanzgehalt. Deshalb ist Beweidung und Frischverfütterung in vielen Fällen die einzige Nutzungsalternative. Silierung oder Trocknung kommen in Betracht, wenn der TS-Gehalt es zulässt bzw. ein Anwelken möglich ist. Bei der Silierung sind Siliermittel zur Förderung der Milchsäuregärung zweckmäßig (homofermentative Milchsäuren, Ameisensäure und ihre Salze, Na-Nitrit, Hexamethylentetramin). Bei Silierung mit TS-Gehalten < 26 % fallen große Mengen Sickersaft an.
- Gut geeignet für die Silierung sind die Weidelgräser und Klee-Grasgemische.
- Wie für alle Grobfutter, ist auch für die Zwischenfrüchte der Fasergehalt bedeutend. Da dieser sehr unterschiedlich ist, wurden in der o.g. Tabelle Werte für Rohfaser, für die Neutrale Detergenzienfaser (NDF) und für die Saure Detergenzienfaser (ADF) angegeben. Im Grünfutter kann in Abhängigkeit vom Schnittzeitpunkt die Strukturwirkung in der Ration sehr unterschiedlich sein. In Tabelle 2 sind Strukturfaktoren(f) zur Ermittlung der strukturwirksamen Rohfaser und strukturwirksamen ADF ausgewiesen
Schnittzeitpunkt:
Eine Hilfe zur Feststellung der optimalen Nutzungszeitspanne ist auch die phänotypische Einschätzung des Bestandes für die Grünfutternutzung.
Gräser und Getreidearten zur Grünschnittnutzung: vor bis Beginn des Ähren- bzw. Rispenschiebens
Kleearten (Rotklee, Alexandrinerklee, Perserklee, Inkarnatklee): Beginn der Blüte (bis 25 % blühende Pflanzen).
Luzerne, Luzerne-Grasgemische (max. 25 % Grasanteil): Knospenstadium bis Beginn der Blüte (zwischen vorletztem und letztem Schnitt im Jahr, in der Regel Ende August bis Mitte September, eine 7-wöchige Pause einlegen!).
Senf, Sonnenblumen: vor Beginn der Blüte (aus verschiedenen Gründen nimmt die Futteraufnahme in der Blüte drastisch ab, bei einigen Arten kann es zur Futterverweigerung führen.
Ackerbohnen, Lupinen, Erbsen, Saatwicken, Esparsette, Serradella: Beginn der Blüte.
In Mischungen bestimmt immer das Merkmal der Hauptkomponente den optimalen Schnittzeitpunkt des Gemisches. In der Tabelle 1 wurden für die Futterwertangaben jeweils die optimalen Schnittzeitpunkte ausgewählt.
Tab. 2: Strukturfaktoren (f) zur Ermittlung der strukturwirksamen Rohfaser und Säure- Detergenzien-Faser (ADFom)
Strukturfaktor | |||
Grünfutter | |||
lang | Rohfaser | >26% | 1,0 |
<24% | 0,75 | ||
gehäckselt | Rohfaser | >26% | 0,75 |
<24% | 0,5 | ||
Grünfuttersilagen | |||
Trockensubstanz | >26% | 1,0 | |
Trockensubstanz | <26% | 0,75 | |
Heu | 1,0 | ||
Trockengrünfutter | |||
gehäckselt, lose oder gepresst | 1,0 | ||
gehäckselt, kompaktiert (z.B. Briketts) | 0,5 | ||
gemahlen, pelletiert (z.B. Cobs) | 0,0 |
strukturwirksame Rohfaser: analytisch bestimmte Rohfaser x f
strukturwirksame ADF: analytisch bestimmte ADFom x f
Um bei der Nutzungszeitspanne kein Risiko einzugehen, ist es empfehlenswert, das Angebot des LKS-Labors Lichtenwalde zur Vorhersage des optimalen Schnittzeitpunktes zu nutzen.
- Verschiedene Zwischenfrüchte haben Eigenschaften bzw. enthalten Inhaltsstoffe, die es notwendig machen, den Einsatz zu begrenzen, um Futteraufnahme und/oder Gesundheit der Tiere nicht negativ zu beeinträchtigen. Dazu sind in den Übersichtstabellen die futtermittelspezifischen Restriktionen angegeben. Restriktionen ergeben sich auch, wenn durch ungünstige Witterungs- und Boden-Verhältnisse starke Verschmutzungen auftreten. Zur Beurteilung des Verschmutzungsgrades ist der Rohaschegehalt geeignet, der nicht > 100 g Rohasche je kg TS betragen soll und der sich ab etwa 150 g/kg TS negativ auf die Gesundheit der Tiere auswirkt.
- Die Sommerzwischenfrüchte erfordern eine frühe Aussaat ab Mitte Juli bzw. im August („Stoppelsaaten“), hierzu gehören Gräser, Leguminosen, Markstammkohl. Spätere Saatzeiten vertragen alle Kreuzblütler, Ölrettich, Senf, Phacelia. Für die noch im Ansaatjahr zu nutzenden Sommerzwischenfrüchte spielt für den Einsatz in den Rationen die Frostverträglichkeit (siehe Tabelle) eine große Rolle. Je nach Region und Standort wird die Frostverträglichkeit ein Kriterium für die Auswahl der geeigneten Zwischenfrucht sein.
- Eine besondere Rolle nehmen die Rüben als Sommerzwischenfrüchte ein. Die Stoppelrüben (Brassica rapa) werden ab Mitte Juli bis Ende August ausgesät und können ab Oktober geerntet werden. In den 60 – 90 Vegetationstagen werden bei normalen Witterungsbedingungen 60 – 70 dt Trockenmasse je ha gebildet. Sie werden in Mieten gelagert und in gehäckselter(gebröckelter) Form (in früheren Jahren mit Spreu gemischt) frisch verfüttert.
- Die Nutzung von Kohlrüben (Brassica napus, im Norden als „Wrucken“ bezeichnet und als „mecklenburgische Ananas“ glorifiziert) erfordert die Aussaat im März/April als Ansaat, um dann die Pflanzen ab Mitte Juli bis in den August auspflanzen zu können, d.h. in den bearbeiteten Acker zu stecken (daher kommt der Name „Steckrüben“). Sie werden in Mieten gelagert und ebenfalls in gehäckselter Form verfüttert.
Über die Nutzung von Winterzwischenfrüchten wird in einem späteren BLOG berichtet.
Fazit
Sowohl durch die Klimaveränderungen als auch durch ihre positive Wirkung auf Boden- und Wasserhaushalt hat der Zwischenfruchtanbau eine große Bedeutung. Sommerzwischenfrüchte können als Weide, als Frischfutter, als Silage und als Trockengrünfutter in Rationen für Rinder zum Einsatz kommen. Sie erweitern das Grobfutterangebot und gleichen durch die Vielfalt der möglichen Arten Schwankungen der Hauptfutterarten aus.
Stand: Juli 2024