Welche Aussage liefern mir Blutbild und Blutchemie in Bezug auf die Fütterung? – Teil 2
Nachdem im vorangegangenen Artikel v.a. auf die Aussagekraft einer Blutanalyse in Hinblick auf die Mineralstoffversorgung eruiert wurde, soll es diesmal um die Vitamine und weitere relevante Substrate gehen.
Im Bereich der Vitamine kann sich eine Unterversorgung mit Vitamin A in einem erniedrigten Retinol-Spiegel im Serum zeigen. Hier ist jedoch zu beachten, dass die Serumkonzentrationen stark von der Speicherkapazität der Leber abhängen. In der Leber wird überschüssig aufgenommenes Vit. A gespeichert und bei einer Mangelversorgung langsam freigesetzt, bis der Leber-Vit. A-Speicher entleert ist. Eine Überversorgung hingegen zeigt sich durch deutlich erhöhte Retinol-Werte im Blut, bevor sich klinische Symptome zeigen.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Pferde, die Zugang zu frischem Gras haben, meist eine gute Versorgungslage mit Vit. A haben, da das darin enthaltene ß-Carotin zu Vit. A umgewandelt wird. Dieser Schritt lässt jedoch keine bedarfsüberschreitende Überversorgung zu, da die Synthese (ß-Carotin => Vit. A) gestoppt wird, wenn der Bedarf gedeckt ist.
Auch der Serumspiegel an Vitamin E (Tocopherol) lässt Rückschlüsse auf die Versorgung zu. Hier zeigt sich zum einen eine extreme Unterversorgung. Aber auch eine Überversorgung schlägt sich in erhöhten Konzentrationen im Blut nieder. Diese ist v.a. bei Weidetieren in den ersten Sommermonaten zu beobachten – diese ist klinisch jedoch unbedenklich.
Als kritisch werden v.a. Überversorgungen mit Vit. D betrachtet. Gründe können hier eine Giftpflanzenkontamination (Goldhafer) oder eine nicht angepasste Aufnahme von verschiedenen vitaminisierten Ergänzungsfuttermitteln (evtl. in Kombination mit Mineralfutter) sein. Eine solch bedarfsüberschreitende Aufnahme kann zu Verkalkungen von Weichteilgewebe (v.a. Herz, Gefäßwände oder Nieren) führen und kann durch die Erfassung des Calcitriolwertes im Blut bestimmt werden.
In gewissem Maß lässt sich auch die Energieversorgung der Tiere am Blut ablesen. So deuten erhöhte Konzentrationen an Freien Fettsäuren (> 900 µmol/l) und Triglceriden (> 5,7 mmol/l) auf ein kurzfristiges Energiedefizit hin. Um dieses auszugleichen, mobilisiert der Körper hierbei körpereigenes Fett, was sich in einem Anstieg der beiden Substrate im Blut zeigt.
Auch die Proteinversorgung kann in Grenzen im Blut abgebildet werden. Wurden bedarfsüberschreitende Proteinmengen aufgenommen, steigt hier der Plasma-Harnstoffspiegel deutlich an. Differentialdiagnostisch sollten bei diesem Befund aber eine Nierenfunktionsstörung und Störungen im Wasserhaushalt ausgeschlossen werden. Wurde dies ausgeschlossen, bildet der Harnstoffspiegel im Blut auch unabhängig vom Fütterungszeitpunkt (Ausnahme: erste Stunde postprandial) eine Proteinüberversorgung gut ab. Eine Unterversorgung zeichnet sich hingegen nicht im Harnstoff ab. Hier ist bei einer deutlichen langfristigen Fehlversorgung ein erniedrigter Albumingehalt im Blut sichtbar.
Eine Ableitung der Aminosäureversorgung über Plasmaspiegel ist aktuell nicht möglich.
Nach wie vor ist eine Rationsüberprüfung bzw. -kalkulation die sicherste Möglichkeit, den Bedarf des Pferdes optimal zu decken. Hierfür sollte im ersten Schritt anhand von Tabellenwerten der Bedarf an einzelnen Nährstoffen errechnet werden. Faktoren wie Rasse, Alter, eventuelle Vorerkrankungen und Arbeitsintensität (Cave: Diese wird häufig überschätzt) spielen dabei eine bedeutende Rolle. Liegen diese Bedarfswerte dann vor, ist zu berechnen, welche Bedarfsdeckung bereits über die Raufutterration (Heu, Heulage, Weide etc.) erfolgt. Dabei bietet es sich für eine punktgenaue Kalkulation an, den Nährstoffgehalt des Raufutters analysieren zu lassen (Rohnährstoffe, Zucker, Mineralstoffgehalte), aber auch die Verwendung von Tabellenwerten ist möglich, wenn auch weniger genau. Die sich aus dieser Berechnung ergebenden Defizite müssen dann über sinnvolle und passgenaue Ergänzungen ausgeglichen werden. Dies können z.B. Proteinträger (z.B. Extraktionsschrote) oder Energieträger (Getreideprodukte oder pflanzliche Öle) sein. Diese sind jedoch nicht per se erforderlich, sondern nur bei intensiver genutzten Pferden. Auf jeden Fall ist die Supplementierung mit einem vitaminisierten Mineralfutter in den allermeisten Fällen notwendig.
Eine Blutuntersuchung kann also eine Rationsüberprüfung sinnvoll ergänzen, wichtiger ist jedoch immer die passgenaue Analyse von Bedarfswerten und darauf basierende Rationszusammenstellung!
Stand: Juni 2024