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Der Fütterungsberater

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Zur Prophylaxe der Gebärparese bei Milchkühen

 

Die Gebärparese, landläufig auch als „Milchfieber“ bekannt, ist eine bedeutende Stoffwechselerkrankung, deren Ursache ein Kalziummangel im Blut ist und die in der Geburt und mit Laktationsbeginn auftreten kann.

Die Ätiologie dieser Krankheit ist bekannt und auch die wichtigsten Ansatzpunkte und Maßnahmen für eine Prophylaxe sind in zahlreichen Schriften beschrieben.

Auf dieser Grundlage sind die umfangreichen Kenntnisse und Erfahrungen in den praktischen Betrieben umzusetzen. Es gibt eine Vielzahl von Empfehlungen für die Prophylaxe und auf dem Futtermittelmarkt ein großes Angebot spezieller Futtermittel und Präparate.

Da Kalzium im Stoffwechsel eine zentrale Rolle spielt und vielfältige Funktionen im Intermediärstoffwechsel ausübt (siehe hierzu die Lehr- und Handbücher der Tierernährung), sind die Auswirkungen eines Mangels gravierend.


Klinische Symptome der Gebärparese

Das erste Stadium ist gekennzeichnet durch unspezifische Symptome, wie eine verminderte Futteraufnahme, verringerte Pansenbewegung, kalt anfühlende Haut und kalte Ohren, unruhigen Blick und Nervosität, die Tiere beginnen zu Trippeln und zeigen Bewegungsunlust, sowie Hyperästhesie (Überempfindlichkeit gegen Berührungsreize), Muskelzittern und leicht erhöhte Herzschlagfrequenz) verbunden mit beschleunigter Atemfrequenz. Es ist eine leichte Erhöhung der Körpertemperatur festzustellen.

Im zweiten Stadium zeigen die Tiere schwankenden Gang und ausgeprägte Koordinationsstörungen, eingeschränkte Kontraktionsfähigkeit der Muskeln, teilweise Lähmungen (Parese). Die Kühe liegen in Brustlage mit seitlich gebogenem Kopf fest, es treten Muskelzuckungen und Krämpfe auf.

In der Folge kommt es schließlich zum Festliegen in Seitenlage, ausgeprägter Tachykardie (erhöhte Herzfrequenz), herabgesetzter Kontraktionsfähigkeit der Muskeln verbunden mit Lähmungen, sowie Aussetzen der Darmmotorik und herabgesetzter Herztätigkeit, röchelnde Atmung, es kommt zu Quetschungen, Nekrosen u. ä. Es setzt eine zunehmende Trübung des Bewusstseins ein, die bis zum Koma führen kann. Wenn Tiere >24 Stunden nach Erkrankungsbeginn noch festliegen, spricht man vom Downer-cow-Syndrom.

Ältere Tiere sind öfter betroffen als Jungkühe, gefährdet sind auch Kühe mit sehr hohen Milchleistungen und mit anderen Störungen behaftete (z.B. Lahmheit u. ä.).

Hypokalcämie prädestiniert auch andere Krankheitserscheinungen, wie z. B. Nachgeburtsverhaltungen, Labmagenverlagerungen, subklinische Ketose u. a.


Ursachen

Ursache für diese Krankheit ist ein zu niedriger Kalziumgehalt im Blutplasma (Hypokalzämie) in den ersten 6 – 72 Stunden nach dem Abkalben.

Der Normalwert liegt bei 2,2 – 2,6 mmol Ca/l Blutplasma (9 – 10 mg/100 ml).

Ausgeprägte klinische Erscheinungen treten bei Werten <1,75 mmol/l auf.

Der niedrige Gehalt an Kalzium im Blut hat zwei Gründe:

  1. Die plötzliche Ausscheidung von extrazellulärem Kalzium über die Milch. Mit jedem Liter Milch werden 1,2 g Ca (und 1 g P) ausgeschieden, d. h, je nach Höhe der Einsatzleistung können 30 – 50 g Ca/Tag) zu Beginn der Laktation abfließen.
  2. Ein Versagen des Regulationssystems, d. h. die Unfähigkeit, diese Kalziumausscheidung durch erhöhte intestinale Kalziumabsorption aus dem Darm und/oder durch Kalziummobilisation aus dem Skelett auszugleichen.

Es soll bemerkt werden, dass sich die Kuh in diesem Stadium in der sensibelsten Phase ihres Reproduktionszyklus befindet. Es setzt die hormonell gesteuerte Umstellung des Stoffwechsels von der anabolen Stoffwechsellage (Einlagerung von Fett, Eiweiß, Mineralstoffen, sowie Wachstum des Kalbes u. ä.) zur katabolen Lage (Körpermasseabbau, Milchsynthese u. ä.) ein, verbunden mit negativer Energiebilanz sowie Puerperium (Rückbildung des Uterus und Herstellung der Konzeptionsbereitschaft).


Regulation des Kalziumstoffwechsels

Die Regulation des Kalziumstoffwechsels unterliegt einem komplizierten System (siehe Abb.1), zu dem eine umfangreiche Literatur vorliegt.

Die Regulation erfolgt über das Parathormon (1,25(OH)D3) der Nebenschilddrüse (Mobilisation des Ca aus den Knochen), dem Calcitonin der Schilddrüse (fördert den Einbau von Ca in die Knochen) und Vitamin D3, einschl. seiner Vor- und Zwischenstufen (fördert die Ca- Aufnahme aus dem Darm).
 


Abb. 1: Prophylaxe der Gebärparese (vereinfachte Darstellung)


Einflussfaktoren

Faktoren, die den Ca-Stoffwechsel beeinträchtigen, sind neben genetischen Dispositionen (Rassen/Familien u. a. mit hohem Milchfettgehalt) und dem Alter der Kühe folgende:

in der Hochträchtigkeit:

  • hohe DCAB [(Na+K) – (Cl +S)] 
  • zu hohes Phosphorangebot bzw. Phosphormangel
  • nicht bedarfsgerechtes Ca-Angebot bzw. Überangebot an Kalzium

nach dem Abkalben:

  • erhöhter Ca-Bedarf
  • unzureichende Ca-Aufnahme und Resorption (niedrige Futteraufnahme, Futtermittel mit geringem Ca-Gehalt, Ca-Antagonisten)
  • hohe Ca-Ausscheidung durch die Milch (Kolostrum und hohe Einsatzleistung). 

Zur Prophylaxe sind dementsprechend Maßnahmen notwendig, die bei Einsetzen der Laktation eine schnelle Bereitstellung von Ca++-Ionen aus dem Darm und dem Skelett gewährleisten, damit der erhöhte Ca-Bedarf während der Laktation so früh wie möglich gedeckt wird.

Für die Prophylaxe ist bedeutungsvoll und durch wissenschaftliche Ergebnisse und praktische Erfahrungen schon jahrzehntelang bekannt, dass durch Ca-arme Fütterung in der Trockenstehzeit eine höhere Bereitstellung von Kalzium aus dem Skelett und dem Darm post partum eintritt. Der Kalziumbedarf der Kuh beträgt in der Trockenstehzeit 4,0 g/kg TM, d.h., bei 12 kg TM/Tag 48 g/Tier und Tag.

Eine zweite gesicherte Aussage ist für die Prophylaxe bedeutungsvoll, dass die durch das Parathormon aus den Geweben freigesetzte Menge an Ca++-Ionen bei „saurer Stoffwechsellage“ erhöht ist (siehe Abb.1.).


Maßnahmen zur Prophylaxe der Gebärparese

Voraussetzung ist die Stabilität der Herde durch sachgemäße Haltung, richtige Kondition und bedarfsgerechte Versorgung mit Energie, Protein, Mineralstoffen und Vitaminen.

Eine grundlegende Forderung ist die Aufrechterhaltung einer optimalen Pansenfunktion bzw. Vermeidung von Pansenfermentationsstörungen während der gesamten Zeit des Trockenstellens und im unmittelbaren geburtsnahen Zeitraum. Hierfür ist die ausreichende Versorgung mit mindestens 2,8 kg strukturwirksame Rohfaser bzw. 3,0 kg strukturwirksamer ADF (bei 650 – 700 kg Körpermasse) je Tier und Tag zu gewährleisten.

Im Mittelpunkt der Prophylaxe der Gebärparese steht die sachgemäße Steuerung des Mineralstoffwechsels. Seit vielen Jahren hat sich das in der Tabelle 1 („Prophylaxe der Gebärparese“) dargestellte Konzept zur Mineralstoffversorgung der trockenstehenden Kühe bis zur Abkalbung bewährt.


Tab. 1: Prophylaxe der Gebärparese

Für die gesamte Trockenstehperiode (bis zur Abkalbung) ist die Rationszusammensetzung auf ca. 40 – 45 g Ca je Tier und Tag einzustellen, das sind weniger als 4 g/kg TS der Ration. Nach den Erfahrungen sollten 60 g auf keinen Fall überschritten werden. Zu diesem Zweck sind kalziumarme Grobfutter zu verwenden. Hier liegt in vielen Betrieben die größte Schwierigkeit. Zu der Festlegung des Grenzwertes von höchstens 60 g Ca je Tag gibt es keine Alternative bzw. ist das Risiko für das Auftreten der Gebärparese sehr groß. Bewährt haben sich für trockenstehende Kühe Getreideganzpflanzensilagen (GPS) und in den letzten Jahren besonders der Rationstyp „15 – 20 kg Maissilage + 4 kg kurzgehäckseltes Stroh je Tier und Tag“. Diese Rationstypen haben auch den Vorteil, dass Risiken, die mit der Qualität von Grassilagen auftreten können, vermieden werden. Leguminosensilagen oder Grassilagen mit hohem Leguminosenanteil kommen aufgrund ihres hohen Kalziumgehaltes ohnehin nicht in Frage.

Mineralfutter für trockenstehende Kühe sollen einen Gehalt unter 20 g Ca/kg Mineralfutter haben. Die übrigen Mengenelemente sind bedarfsgerecht dem jeweiligen Grobfutter anzupassen. Der Phosphorgehalt sollte, trotz Diskussion, möglichst unter 40 g/Tier und Tag (kleiner als 3,5 g/kg TM) betragen. Hervorzuheben ist, dass für trockenstehende Kühe, sowohl im Hinblick auf die Freisetzung von Kalzium nach der Geburt als auch in Kenntnis der muskelentspannenden Wirkung des Magnesiums selbst, der Magnesiumgehalt im Mineralfutter für trockenstehende Kühe auf 90 – 120 g/kg Mineralfutter angehoben werden sollte.

Ein großes Problem stellt die für die Gebärparese negative Wirkung des Kaliums dar. Die Forderung, dass der Kaliumgehalt kleiner als 12 g/kg TS der Ration, zumindest bei Verwendung von Grassilagen schwer einzuhalten ist, stellt für den gesamten geburtsnahen Zeitraum ein großes Risiko dar.

Die Versorgung mit den Vitaminen A (140.000 IE/Tier und Tag), D3 (40.000 IE/Tier und Tag) und E (1.000 mg/Tier und Tag) erfolgt ohne Berücksichtigung der in den Futtermitteln enthaltenen (nativen) Mengen durch die Ergänzung mit Mineralfutter.

Für Kühe ab 3. Laktation, Problemtiere, Kühe mit Zwillingsgeburten oder mit extrem hoher Einsatzleistung wird empfohlen, im Geburtszeitraum zusätzliche Kalziumgaben zu verabreichen. Über die Zweckmäßigkeit dieser Maßnahme, zum Zeitpunkt und zur Dosis und Darbietungsform gibt es sehr unterschiedliche Ansichten. In der Tabelle 2 wurde die durch eigene Erfahrungen bestätigte Form aufgenommen.


Tab. 2: DCAB Regulatoren

Für die ergänzende Kalziumversorgung stehen auch oral verabreichte Kalziumpräparate zur Verfügung. Sie werden als Paste, Emulsionen, Gel, Bolus oder Drink angeboten. Basis sind organische Verbindungen (Ca-Zitrat, -Azetat, -Laktat, -Propionat, u. a.) sowie anorganische Salze (Ca-Chlorid, -Sulfat, -Phosphat). Zur Versorgung mit Kalzium wird den ersteren der Vorzug gegeben. Sie sind schleimhautschonend, haben aber keinen anionischen Effekt.

Die zusätzliche Versorgung mit Kalzium ist auch wesentlicher Bestandteil der Therapie festliegender Kühe, die aber nicht Gegenstand dieses Beitrages ist und in die Kompetenz des Hoftierarztes gehört.

Ein wichtiger Abschnitt für die Prophylaxe der Gebärparese ist der Zeitraum ab 3. Woche vor dem kalkulierten Abkalbetermin. Hier wird die Kalziumzulage auf die in der Ration ermittelte DCAB eingestellt. Die Tabelle 1 zeigt, umso niedriger die DCAB, umso saurer ist das Milieu und umso höher muss die Kalziumgabe sein. Ist die DCAB unter 50, sie kann bis -100 meq/kg TS betragen, wird diese Ration als „Anionen-Ration“ bezeichnet. Sie ist für die Bereitstellung von Kalzium die wirksamste Rationsgestaltung. In dieser Ration muss der Kalziumgehalt der Ration über 10,0 g/kg TM betragen, d.h., bei einer Futteraufnahme von 12 kg TM müssen mindestens 120 g Ca gefüttert werden. Entsprechend muss Futterkalk (in der Regel 400 g Ca/kg Futterkalk) zugefüttert werden. Der Gehalt an Kalzium in der Ration ist dabei zu berücksichtigen. Zur Kontrolle wird empfohlen, einmal wöchentlich den pH-Wert im Harn zu bestimmen, um die Wirksamkeit zu prüfen (Anforderungen an den pH-Wert siehe Tabelle 1). Nach dem Abkalben ist dieses Mineralfutter sofort abzusetzen und es kommt das Mineralfutter für laktierende Kühe zum Einsatz.

Liegt der Kalziumgehalt in der Ration höher als der für entsprechende DCAB geforderte Wert (z. B. die DCAB beträgt 100 meq/kg TS und der Ca-Gehalt der Ration liegt bei 80 g/kg TM) müssen DCAB–Regulatoren eingesetzt werden, um die DCAB abzusenken. Diese Verbindungen sind im Allgemeinen „saure Salze“, wie sie auch früher bezeichnet wurden (obwohl nicht alle sauren Salze für diesen Zweck geeignet sind). Die wichtigsten zeigt die Tabelle 2 („DCAB- Regulatoren“) mit ihren Säureäquivalenten. Die geschmacklosen CaCl2–Mikrokapseln haben sich sehr bewährt, u. a. auch durch die geringe Menge, die zuzufüttern ist. Es wird empfohlen, in erster Linie auf Chloride zuzugreifen, da Sulfate das Risiko erhöhen, dass der Schwefelgehalt in der Ration den 3 % in der TS der Ration nahe kommt, wo dann mit einer drastischen Senkung der Futteraufnahme und mit anderen Störungen zu rechnen ist. 

Nach der Erörterung der notwendigen Maßnahmen zur Prophylaxe der Gebärparese wird deutlich, dass es notwendig ist, die Mischration für die trockenstehenden Kühe, untersuchen zu lassen, um die Entscheidung für das richtige Mineralfutter bzw. ob DCAB-Regulatoren eingesetzt werden sollten, sachlich treffen zu können.

Da die Gebärparese eine komplex ausgelöste Krankheit ist und die trockenstehenden Kühe oft noch nicht die an das erreichte Leistungsniveau angepasste Beachtung finden, sind in den letzten Tabelle (3 und 4) noch einmal die allgemeinen „Grundsätze zur Rationsgestaltung bei trockenstehenden Kühen“ und Anregungen zu „Rationstypen für trockenstehende Kühe“ zusammengefasst.


Tab. 3: Grundsätze der Rationsgestaltung für trockenstehende Kühe


Tab. 4: Rationstypen für trockenstehende Kühe (je Tier und Tag)

 

Stand: November 2024

 

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