Zwölf Thesen zur Luzerne - Teil 1
These 1: Luzerne (Medicago sativa) stellt hohe Ansprüche an den Standort. Sie ist ein Tiefwurzler, es wurden bis zu 6 m lange Pfahlwurzeln gefunden. Damit übersteht sie längere Perioden ohne Niederschläge. Klimatisch sind warme zur Sommertrockenheit neigende Regionen am besten geeignet. Sie bevorzugt tiefgründige Lehm-, Buntsandstein- und Muschelkalkverwitterungsböden, außerdem Lößlehm. Luzerne wird vorzugsweise als „Pionierpflanze“ auf Rekultivierungsflächen nach dem Braunkohlenabbau genutzt. Am besten gedeiht Luzerne bei einem pH-Wert im Boden zwischen 5,8 bis 7,2. Was sie nicht mag, sind Moorböden, Überflutungsstandorte, Böden mit stehendem Grundwasser und alle Flächen, die zeitweilig zum Vernässen neigen.
These 2: Die Luzerne bringt für den Pflanzenbau und für die Futterwirtschaft große Vorteile. Die Vorteile aus pflanzenbaulicher Sicht fasst Makowski (2014) zusammen. Sie bindet durch Knöllchenbakterien Stickstoff aus der Luft (bis 300 kg/ ha Luft-Stickstoff, was etwa 100 – 150 kg Mineral-N/ ha entspricht). Unter normalen Bedingungen braucht Luzerne keine Stickstoffdüngung. Luzerneanbau führt zur Unterbrechung von Infektionsketten in getreidereichen Fruchtfolgen, zur Steigerung der Bodenfruchtbarkeit durch Vermehrung des Humusgehaltes im Boden, zur Entwicklung der biologischen Aktivität im Boden und bringt durch ihren positiven Einfluss auf die Bodenstruktur Vorteile bei der Bodenbearbeitung.
Zu den pflanzenbaulichen Maßnahmen (Fruchtfolge, Bodenbearbeitung, Düngung, Saatzeit, Bestandsdichte usw.) gibt es bewährte Anbaurichtlinien vom Altmeister des Luzerneanbaus Professor Boto Märtin, der von 1960 bis 1993 an den Universitäten Jena und Halle lehrte („Produktionsanleitung und Richtwerte für den Anbau von Luzerne und Luzernegras“, Markkleeberg,1978). Die Richtlinien haben ihre Bewährungsprobe jahrzehntelang bestanden und haben noch heute volle Gültigkeit.
Die futterwirtschaftlichen Vorteile beziehen sich in erster Linie auf ihren hohen Futterwert der Luzerne (Tabelle 1 und 1.1).
Tab. 1: Futterwert von Luzerne¹
Tab. 1.1: Futterwert von Luzerne* - Mineralstoffe (je kg TS)
Hervorzuheben ist die Möglichkeit der Nutzung als Frischfutter, Silage, Trockengrünfutter und Heu. Luzerne hat eine hohe Flächenproduktivität (Tabelle 2).
Tab. 2: Nährstofferträge von Luzerne bei verschiedener Nutzung
Luzerne ist protein- und mineralstoffreich. Wie für Leguminosen typisch, hat Luzerne mit 20 g Ca/ kg Trockensubstanz einen sehr hohen Kalziumgehalt. Bei trockenstehenden Kühen kann das den Einsatz begrenzen. Der Kohlenhydratgehalt der Luzerne ist niedrig und mit < 50 g Zucker in der Trockensubstanz praktisch ohne Bedeutung. Luzerne liefert rohproteinreiche Produkte, die eine erhebliche Einsparung rohproteinreicher Konzentrate ermöglichen, die zum großen Teil importiert werden müssen (z.B. Sojaextraktionsschrot). In Rationen für Rinder ist Luzerne eine wichtige und optimale Kombinationskomponente mit Maissilage bzw. Getreideganzpflanzensilage.
These 3: Sowohl pflanzenbaulich als auch aus Sicht der Fütterung haben sich neben der Reinsaat Luzerne-Grasbestände als günstig erwiesen. Die Ertragsanteile des Grases sollten 25 Prozent nicht überschreiten, um der Luzerne keine Konkurrenz zu machen. Günstige Graspartner sind Wiesenschwingel, Wiesenlieschgras, Deutsches Weidelgras und Knaulgras.
These 4: Luzerne lässt sich vier- bis sechsmal im Jahr schneiden (im Ansaatjahr nur 2 Schnitte). Um sie mehrjährig nutzen zu können, sollte, eine etwa 7-wöchige Pause zwischen dem vorletzten und letzten Schnitt (im Allgemeinen zwischen Mitte August bis Ende September) eingelegt werden. In der Praxis ist häufig anzutreffen, dass der 1.Schnitt zumeist im optimalen Stadium geerntet wird, die Folgeschnitte aber oft zu spät erfolgen, so dass nur noch drei Schnitte möglich werden. Das mindert nicht nur den Gesamtertrag, sondern hat auch nachteilige Auswirkungen auf den Futterwert der Folgeschnitte. Luzerneschläge sollte man nicht beweiden. Die Pflanze ist empfindlich gegen Tritt und Verdichtung.
These 5: Entscheidend für den Futterwert ist das Vegetationsstadium (Tabelle 3).
Tab. 3: Rohprotein- und Energieerträge der Luzerne in Abhängigkeit vom Vegetationsstadium
Optimal ist das Stadium der Knospe bis zum Beginn der Blüte (maximal 25 % der Knospen in Blüte). Dabei ist es wichtiger, den richtigen Vegetationszustand zu bewerten, als die Wuchshöhe. Die Schnitthöhe sollte etwa 10 cm betragen. Schneidet man zu tief, leiden die Knospen, die den Bestand wieder „erneuern“. Luzerne verträgt keinen Frühschnitt! Es hemmt die Entwicklung der Wurzeln und verkürzt die Nutzungsdauer des Bestandes.
These 6: Wenn Luzerne als frisches Grünfutter genutzt wird, sind die Feldverluste mit etwa fünf Prozent am geringsten. Hauptquelle für Nährstoffverluste sind die Verluste der proteinreichen Blätter. Sie sind umso höher, je trockener das Grünfutter wird. Aus diesem Grund empfiehlt sich nicht die Heugewinnung durch Bodentrocknung. Aus diesem Grund ist auch das Anwelken bei der Silagegewinnung bzw. bei der technischen Trocknung schonend vorzunehmen.
These 7: Luzerne ist hervorragend geeignet für die „technische Trocknung“, es ist die effektivste Nutzungsform. Zur Trocknung eignen sich die bekannten Trommeltrockner, bei denen durch Heißluft der Wasserentzug erfolgt und mit geringen Verlusten (< 10 %) Trockengrünfutter erzeugt wird. Das getrocknete Häckselgut kann unzerkleinert zu Quader- oder Rundballen gepresst, transportiert und gelagert werden, um dann als wertvolle Grobfutterkomponente zum Einsatz zu kommen.
Bedeutungsvoll ist die Produktion von Luzerne – Cobs, d.h. das Trockengrünfutter wird gemahlen und pelletiert. Diese Cobs kommen als rohproteinreiche Konzentrate (bis 250g Rohprotein/ kg TS) in der Rinderfütterung zum Einsatz. Sie werden auch in Mischfuttermitteln für Schweine und Geflügel verwendet.
In den letzten Jahrzehnten sind moderne Trocknungsverfahren auf hohem Niveau der Mess- und Steuertechnik entwickelt worden, mit denen computergestützt durch Warmbelüftung bzw. durch Anwendung von Entfeuchtern unter Dach bei Verwendung verschiedener Energiequellen (z.B. durch Biogasabwärme oder Solarenergie) sowohl eine hervorragende Futterqualität als auch eine hohe Energieeffizienz gewährleistet wird. Dieses Trockengrünfutter (zur Transparenz im Sprachgebrauch auch als Heu bezeichnet) kann als teilweise Alternative zur Silage immer mehr an Bedeutung erlangen. In den „Heumilchbetrieben“ in Österreich und Deutschland liegen umfangreiche praktische Erfahrungen vor.
Stand: Februar 2025