Kopfgrafik Blog Fütterungsberater

The Feeding advisor

A blog on feedstuff analytics, animal health, feeding and dietetics.

Blogpost
LKVFeeding advisor
Rind

Zur Stabilität unserer Milchviehherden

Die Fütterung landwirtschaftlicher Nutztiere hat das Ziel, den Bedarf der Tiere an Energie- und Nährstoffen zu decken, dabei so wenig wie möglich vom Menschen direkt verwertbare Nahrungskomponenten zu verwenden, schädigende Einflüsse auf die Gesundheit des Tieres und des Verbrauchers tierischer Lebensmittel zu vermeiden, Natur, Umwelt und Klima von Nährstoffüberschüssen zu bewahren und dem Tierhalter ein Einkommen zu sichern.

Bereits vor rund 10.000 Jahren, als die ersten Rinder (es waren Auerochsen) zwischen Euphrat und Tigris im heutigen Irak domestiziert wurden, haben die Menschen die Verpflichtung übernommen, die Nutztiere bedarfsgerecht zu ernähren und artgerecht zu halten. Für die Rinderhaltung bedeutet das, auf der Grundlage von Grobfutter und Nebenprodukten der pflanzlichen Produktion, den leistungsabhängigen Bedarf an Energie und Nährstoffen, einschl. Mengen- und Spurenelementen, sowie Vitaminen kontinuierlich zu sichern.

Dazu stellt die Tierernährung das „Handwerkszeug“ in Form der Bedarfsnormen und Hinweise zur Futterdarbietung bereit, die aus wissenschaftlichen Untersuchungen und Erkenntnissen abgeleitet und international abgeglichen werden. Ihre konsequente Anwendung in der Praxis der Tierhaltung ist das „Grundgesetz der Fütterung“. 

Die Tierernährung verfügt heute über ausreichend Kenntnisse und Erfahrungen, um mit gesunden Kühen optimale Milchmengen zu erzeugen.

Dabei hat sich, entsprechend dem gesellschaftlich-sozialen Niveau, eine moderne Milchviehhaltung entwickelt, die bei Nutzung der Digitalisierung Wohlbefinden für Mensch und Tier gewährleistet.

Zur Durchsetzung einer bedarfsgerechten Versorgung der Milchkühe mit Energie- und lebensnotwendigen Nährstoffen sind folgende Grundvoraussetzungen zu erfüllen:

  • Kenntnis und konsequente Anwendung der Bedarfsnormen
  • Kenntnis der Futteraufnahme
  • Kenntnis des Futterwertes und der Qualität der eingesetzten Futtermittel (Untersuchung in zertifizierten Futtermittellaboren)
  • Rationsberechnung (Software muss alle Kennzahlen der aktuellen Bedarfsnormen enthalten)
  • Ergebnis der Rationsberechnung muss direkt auf Verfahren der Futterdarbietung übertragbar sein
  • Kontrolle des Fütterungserfolges, einschl. der Futterkosten.

Für alle diese Aufgabenstellungen gibt es praktikable Methoden und Handhabungen, die durch die Digitalisierung erleichtert und den betrieblichen Bedingungen angepasst werden können. Zur zeitlichen Einordnung siehe Tabelle 1 „Terminliche Einordnung der Maßnahmen zur bedarfsgerechten Energie- und Nährstoffversorgung“.

Tab. 1: Terminliche Einordnung der Maßnahmen zur bedarfsgerechten Energie- und Nährstoffversorgung der Milchkühe

ZeitrahmenMaßnahme
täglich*

Futteraufnahme

Kontrolle Milchmenge und Milchinhaltsstoffe

wöchentlichTrockensubstanzbestimmung (Silagen, Grünfutter u. ä.)
monatlich

Auswertung der Ergebnisse GERO/MLP

Futtereffektivität. Futterkosten

evtl. Korrekturen der Rationen

2-8 Wochen

Grobfutteranalysen

Rationsberechnung

2 x jährlich

Stoffwechseluntersuchung (Klinisch gesunde Tiere)

Deckhaaruntersuchung

Tränkwasseranalytik 

1 x jährlichAuswertung Kennzahlen (Abschluss Milchjahr)
bei Bedarf

Ernährungsstörungen

Veränderungen am Futter u.a.

*controlling Repro: siehe Tabelle 3

Die Einhaltung der genannten Voraussetzungen stellt heute eine Verpflichtung für jeden Halter von Milchkühen dar. Die Situation ist so ernst, dass man sagen muss, wer diese Voraussetzungen nicht erfüllen kann oder nicht erfüllen will, hat kein Recht Kühe zu halten. Sie gelten für alle Wirtschaftsformen, ob konventionell, integrativ oder Bio, ob kleiner oder großer Bestand, sie gelten für alle Rationstypen, für alle Haltungsformen, ob im Stall oder auf der Weide und sie gelten auch bei zu erwartenden Witterungsverhältnissen durch veränderte Klimabedingungen.

Die derzeitige Milchviehhaltung wird von verschiedenen Kreisen kritisch betrachtet. Wenn auch mit unterschiedlichen Aspekten, reicht der Kreis der Kritiker von Verbrauchern bis Experten. Letztere prangern vor allem die hohen Abgänge, Stoffwechselentgleisungen und die kurze Nutzungsdauer an und führen das auf die überhöhte Milchleistung besonders im Verhältnis zur Futteraufnahme (u.a. Martens, 2022) oder auf falsche Zuchtorientierungen (u.a. Brade, 2018, 2021) zurück.

Durch die Milchleistungsprüfung der Landeskontrollverbände, die eine jahrzehntelange Tradition hat, erfolgt nach festgelegtem Standard eine monatliche intensive Tierkontrolle, wie sie in keinem anderen Bereich der Tierproduktion stattfindet. Wohl kaum ein anderes landwirtschaftliches Rohprodukt unterliegt solch einer kontinuierlichen und lückenlosen Kontrolle wie die Milch.

Ein wichtiger, man könnte sagen „revolutionärer“ Schritt, war die Erweiterung der traditionellen Milchleistungsprüfung (MLP) um die Prüfung auf Gesundheit und Robustheit (GERO) entsprechend der Verordnung 2015 (BGBl. I S. 1474) zum Tierschutzgesetz.

Mit jeder monatlichen Milchmengen- und Qualitätsprüfung werden Kennzahlen zur Stoffwechselstabilität, Eutergesundheit, Robustheit, Fruchtbarkeit und Nutzungsdauer erfasst und einem Punktsystem zugeordnet (Hier geht's zum GERO-Jahresabschluss 2022).

Ohne hier auf Einzelheiten eingehen zu können, werden in der Tabelle 2 „Ergebnisse des GERO-Rankings 2020/21 am Beispiel des LKV Sachsen“ die zehn besten Betriebe nach dem Ranking aufgeführt. Aus dieser Tabelle sind auch die einzelnen Bewertungskriterien zu entnehmen, die im Rahmen des GERO erfasst werden. Die nahezu 165.000 geprüften Tiere in 546 Betrieben entsprechen einer Prüfdichte von über 94 % und repräsentieren damit den Kuhbestand im Freistaat Sachsen.

Tab. 2: Ergebnisse des GERO-Rankings 2020/2021 am Beispiel des LKV Sachsen

* Prüfdichte:     94,3%, 546 Betriebe, ** FEK = Fett [kg] + Eiweiß [kg], *** Merzungen                 

Es zeigt sich, dass die Betriebe mit den gesündesten Tieren in allen Kriterien über dem Mittel des Gesamtbestandes liegen. Nur gesunde Kühe geben auch viel Milch, sie haben gesunde Euter und eine längere Nutzungsdauer. Die langjährigen praktischen Erfahrungen zeigen, dass bei hohen Milchleistungen auch die Anforderungen höher werden und die Toleranz gegenüber Abweichungen von den Bedarfsnormen abnimmt und unter 10 % liegt. Deshalb muss darauf hingewiesen werden, dass die Zielstellung für die Höhe der Milchleistung immer ein betriebsspezifisches Optimum hat, welches den natürlichen, sozialen, ökonomischen u.a. Bedingungen des jeweiligen Betriebes entspricht. Es ist eine wichtige Aufgabe auch der betriebswirtschaftlichen Beratung, für jeden Betrieb den Bereich der optimalen Leistungshöhe zu ermitteln und die jeweiligen Maßnahmen zu ihrer Realisierung konzipieren.

Die Auswertungen werden den Betrieben jeden Monat zugestellt. Der Betrieb kann seine Schwachpunkte erkennen und entsprechend reagieren. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass auch eine effektive Fütterungsberatung ohne dieses Material gar nicht mehr möglich ist. Leider werden diese Ergebnisse in der kritischen Diskussion meistens ignoriert oder sind nicht bekannt.

Betriebe, deren Herden stabil sind und bei denen optimale Milchmenge und Gesundheit übereinstimmen, sind nicht nur einige „Musterknaben“, wie oft behauptet wird. Es ist eine Vielzahl von Betrieben mit modernem Management (siehe oben) mit unterschiedlichen Bestandsgrößen, die beweisen, dass es keinen Widerspruch zwischen angemessen hohen Milchleistungen und dem Gesundheitsstatus geben muss. Die Gewährleistung des erforderlichen Tierwohls bei optimaler Leistung ist keine Frage der Betriebsgröße, im Allgemeinen passen auch Leistung und Ökonomie zusammen, entschieden wird es durch das Management.

Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Sachsen aufgrund der ungünstigen  Rahmenbedingungen von 2014 bis 2022 die Anzahl der milchviehhaltenden Betriebe um 35 % und der Kuhbestand um 14 % gesunken sind (Hilger, 2022), das ist umso kritischer zu beurteilen, da Anfang der 90ziger Jahre mit der Einführung der Milchquote in den Neuen Bundesländern der Kuhbestand bereits um etwa die Hälfte abgebaut wurde.

Fraglos gibt es im Reproduktionszyklus der Milchkuh besonders sensible Perioden, die höchste Aufmerksamkeit verdienen und die einen entscheidenden Einfluss auf die ganze folgende Laktation und auf das Reproduktionsgeschehen haben.

Eine solche Periode ist der geburtsnahe Zeitraum, die trockenstehenden Kühe und vor allem die Periode der ersten 30 (bis 60) Tage nach der Geburt. Hier erfolgen die meisten Behandlungen, hier wird am meisten Geld für Futterzusätze ausgegeben (und auch viel Geld verdient). Es wird damit gerechnet, dass spätere Störungen zu 70 - 80 % hier ihre Ursachen haben. Speziell für diese Periode wird ein Fütterungscontrolling empfohlen (siehe Tabelle 3 „Controlling post partum (Repro)“.

Schwerpunkte sind:

  • Anforderungen an die Körperkondition und Energieaufnahme 
  • Hohe Futteraufnahme
  • Ausreichende Strukturwirksamkeit der Ration
  • Schaffung der Voraussetzungen für ausreichende Glukosebereitstellung durch Glukoneogenese
  • Vermeidung von oxidativem und nitrosativem Stress, um die Bildung von Oxigenen und freien Radikalen zu minimieren, die die Immunität schwächen und Entzündungen Vorschub leisten.

Tab. 3: Controlling post partum (Repro), Schwerpunkt: Einzeltier, Entscheidung: Behandlung durch Tierarzt oder in Produktionsgruppe (FM)          

  • Allgemeinzustand (Augen, Haare, Ohren u.a., Körperzustand)
  • Körpertemperatur messen bis 6. Tag
  • Normalwerte für Kühe 37,9 - 38,5°C
  • am 2., 4. und 6. Tag Ketosetest mit Teststreifen o. a. Verfahren
  • Bestimmung von HBS im Blut, Grenzwert < 1200 µmol/l
  • am 5. und 8.-10. Tag Messung des Haptoglobingehaltes (Serum oder Milch) als Marker für akute Entzündungen *
  • Pansenfüllung (Hungergrube), bei Beurteilung der Pansenfüllung 4-5 Tage vor dem Kalben können bereits "schlechte und gute Fresser" p.p. erkannt werden
  • Pansenkontraktionen: 16 - 24 / 10 Minuten, Ø 2 / min
  • Wiederkauaktivität
  • 6,5-8h/Tag, je kg TS 35-55 min, je kg Rohfaser 180min

 

Nach einer Veröffentlichung in dlz – agrarheute Rind 2023, 4, S. 26-29

 

Stand: Mai 2023

 

Download

 

Back

Inhalt Seiteneigenschaft amPageNavType: ""

Inhalt Seiteneigenschaft amPageFreeProperty: ""

Inhalt Seiteneigenschaft amPagesExample: ""