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Der Fütterungsberater

Ein Blog zu Futtermittelanalytik, Tiergesundheit, Fütterung und Diätetik.

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Futtermittel & Laboranalytik

Resistente Stärke

Normalerweise wird Stärke im Dünndarm körpereigen durch das Enzym Amylase verdaut und in kleinere Zuckerbestandteile zerlegt, die über das Dünndarmepithel resorbiert werden und dem Körper somit als Energiequelle zur Verfügung stehen. Wird Stärke jedoch aufgrund ihrer Struktur (siehe unten) nicht im Dünndarm verdaut, passiert sie diesen und dient im Dickdarm dem dortigen Mikrobiom als Nahrung. Sie wird hier fermentiert und in kurzkettige Fettsäuren, v.a. Butyrat, zerlegt. Damit leistet sie zum einen einen präbiotischen Effekt, indem sie als Nahrungssubstrat das physiologische Dickdarmmikrobiom stabilisiert. Somit wird dieses widerstandsfähiger gegenüber pathogenen Keimen. Zum anderen hat das gebildete Butyrat als wichtigster Energieträger für Darmepithelzellen einen schleimhautprotektiven Effekt auf die Dickdarmschleimhaut – die Zotten dieses Epithels weisen eine vergrößerte Oberfläche auf und die Neubildung nach Zellabschilferung wird forciert.

Resistente Stärke lässt sich chemisch in vier Untergruppen einteilen:

RS1Dazu zählen alle Körner und Samen, die im Ganzen oder nur grob zerkleinert aufgenommen wurden und aufgrund der Struktur nicht enzymatisch verdaut werden können. Diese stehen aber auch dem Dickdarmmikrobiom nur sehr begrenzt als Substrat zur Verfügung und werden in hohen Anteilen unverdaut wieder ausgeschieden.
RS2Diese resistente Stärke weist eine spezielle kristalline Struktur auf und kann daher von α-Amylase nur schwer gespalten werden – Vorkommen: z.B. grüne Bananen, rohe Kartoffeln, einige Hülsenfrüchte
RS3Diese entsteht durch Retrogradierung – werden z.B. Kartoffeln gekocht, quellen Stärkekörner unter Anwesenheit von Wasser und Wärme auf, werden gelartig und sind enzymatisch abbaubar. Erkaltet das Futter- oder Lebensmittel jedoch wieder, verändert sich die Gelstruktur so, dass der Abbau durch körpereigene Enzyme erschwert wird und so ein höherer Anteil resistenter Stärke im Futter- oder Lebensmittel enthalten ist.
RS4Diese Form wurde industriell modifiziert (zumeist verestert) und wird v.a. in der Lebensmittelindustrie aufgrund der damit einhergehenden chemischen Eigenschaften verwendet.

Was ist nun bei der Verfütterung von Futtermitteln mit erhöhten Gehalten an resistenter Stärke zu beachten? Zum einen dienen die Stärkeanteile, die resistent gegenüber dem enzymatischen Abbau im Dünndarm sind, nicht der direkten Energieversorgung des Tieres. Die Stärke kann hier nicht in Oligosaccharide umgewandelt werden. Dies sollte bei der Rationskalkulation beachtet werden. Jedoch ist diese resistente Stärke ernährungsphysiologisch nicht unbedeutend. Ihr präbiotischer Effekt im Dickdarm hat günstige diätetische Effekte. Diese stellen sich zum einen in der bereits eingangs erwähnten Unterstützung des physiologischen Mikrobioms und dem schleimhautprotektiven Einflüssen auf das Dickdarmepithel dar. Zudem können bestimmte Krankheitsbilder speziell diätetisch unterstützt werden:

  • Schwein: Hier bewirkt eine Stabilisierung des Darmmikrobioms eine Unterdrückung unerwünschter/ pathogener Bakterienstämme und senkt so den Keimdruck im Tier und in der Stallumgebung. Zudem wird durch den Zusatz fermentierbarer Substanzen die Kotqualität verbessert, was den Verschmutzungsgrad der Kotflächen und der Tiere reduziert. Eine besondere Bedeutung kommt dem Einsatz von präbiotisch wirksamen Substanzen bei der Reduktion von E. coli-bedingten Erkrankungen bei Absetzferkeln zu (siehe Blogartikel - Ödemkrankheit beim Ferkel).
  • Hund: Zum einen ist der Einsatz präbiotisch wirkender Substanzen wie resistenter Stärke bei Hunden angeraten, die zu Durchfall neigen oder die nach einer Infektion mit darmpathogenen Keimen in der Rekonvaleszenz sind, um das physiologische Mikrobiom zu stärken und die Erneuerung der Darmepithelien zu unterstützen. Zum anderen finden Präbiotika auch in der Diätetik von Lebererkrankungen Anwendung. Durch die reduzierte Funktionalität der Leber kommt es zu einer verminderten Ammoniakentgiftung. Im fortgeschrittenen Stadium von Hepatopathien führt dies zu einem erhöhten Risiko einer Hyperammonämie, welche schwere zentralnervösen Schädigungen (Übertritt von Ammoniak über die Blut-Hirn-Schranke) hervorrufen kann. Mittels präbiotischer Substanzen kann es Teil dieses Ammoniaks erfolgreich in der Darmingesta gebunden werden und wird nicht in den Kreislauf aufgenommen. Dabei liegt folgender Wirkmechanismus zugrunde: Durch die Fermentationsvorgänge und die dabei gebildeten kurzkettigen Fettsäuren wird der pH-Wert im Darmchymus abgesenkt. Diese pH-Reduzierung bewirkt, dass Ammoniak (NH3) in Ammonium (NH4+) umgewandelt wird. Aufgrund der Tatsache, dass Ammonium geladen ist, wird es nicht durch das Darmepithel transportiert und somit im Darminhalt gebunden und über den Kot ausgeschieden.

Bei all den positiv genannten Punkten sollte jedoch beachtet werden, dass es bei einem überhöhten Einsatz präbiotisch wirksamer Substanzen auch zu negativen Begleiterscheinungen kommen kann. Zum einen sollte eine plötzliche hohe Zulage von Präbiotika vermieden werden. Es sollte stets mit der Fütterung kleiner Mengen begonnen werden, um dem Mikrobiom im Darm die Möglichkeit zu geben, sich langsam zu adaptieren. Andersfalls kann es zu einer deutlich zu weichen Kotkonsistenz bis hin zu Durchfall kommen. Aber auch nach erfolgreicher Adaptation sollte die stark bedarfsüberschreitende Gabe von Präbiotika kritisch gesehen werden. Hier kann es durch die forcierten Fermentationsvorgänge zu einer Dickdarmacidose (hind gut acidosis) und damit einhergehenden Schädigungen am Epithel kommen (=> Entzündungsreaktionen, leaky gut syndrome).

Nicht zu verwechseln ist der Begriff der resistenten Stärke mit dem der beständigen Stärke beim Milchrind. Unter letzterer versteht man den Anteil der Stärke, der nicht im Pansen verdaut wird und stattdessen in den Dünndarm gelangt, wo er körpereigen enzymatisch aufgespalten wird und somit der direkten Energieversorgung des Tieres dient.

 

Stand: März 2022

 

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